Green Day waren die Rotznasen der 90er Jahre, von denen kein Mensch annahm, sie würden je erwachsen. Seither überraschen sie uns ständig. Was ist bizarrer: dass ihr achtes Album so ambitioniert, so mutig ist- oder dass sie überhaupt bis zum achten Album gekommen sind? „I got no motivation“ sang Billy Joe Armstrong 1994 in „Longview“.

„American Idiot“ (2004) brachte die Wende: eine Rock-Oper, ausgerechnet, ein Konzeptalbum über Amerikas Hoffnungen und Träume, mit Figuren, die „St. Jimmy“ und „Jesus Of Suburbia“ hießen. Karriere-Kamikaze, eigentlich. Stattdessen explodierten Green Day zu der Sorte Band, die es eigentlich nicht mehr gibt: wütend, leidenschaftlich, jederzeit willens, mit großer Geste auf die Schnauze zu fallen.

„21st Century Breakdown“ ist besser. So gekonnt, so selbstsicher, dass „Idiot“ wie eine Aufwärmübung wirkt. Wieder sind sie in Rockoper-Laune und haben das Album in drei Akte geteilt: „Heroes And Cons“, „Charlatans And Saints“ und „Horseshoes And Handgrenades“. Allerdings diesmal ohne neunminütige Exkursionen. Erzählt wird die Geschichte eines Punk-Liebespaars, Christian und Gloria, auf der Flucht durch die Ruinen des Post-Bush-Amerika, alleingelassen von der Kirche („East Jesus Nowhere“), dem Staat („21 Guns“) und jedem Erwachsenen, dem sie je vertraut haben („We are the desperate in the decline/ Raised by the bastards of 1969“).

Musikalisch kombinieren Green Day das gewohnte Geprügel mit ihrer neuentdeckten Liebe zum Classic-Rock-Bombast. Der opulente Titeltrack verbeugt sich keck vor 70er-Jahre-Glam-Hits, die Hochglanz-Ballade „Last Night On Earth“ klingt wie Air Supply. Aber am besten sind doch die wutentbrannten Hymnen: Gitarrenrocker mit Latin-Note („Peacemaker“) oder Clashartiger Punk („Know Your Enemy“). „Last Of The American Girls“ ist ein wunderbares linkes Liebeslied an eine Rebellin.

Dieses Album ist auch so toll, weil man ihm anhört, wieviel Mühe sich Green Day geben, ihre Ideen zu vermitteln und ihr Publikum herauszufordern. Sie lösen Versprechen ein, die sie nie gemacht haben- aus den 90er Jahren übriggebliebene Versprechen von ehrbaren Bands, die es längst nicht mehr gibt. Dass „21st Century Breakdown“ so vital wirkt, liegt nicht zuletzt an dieser anhaltenden Überraschung: dass ausgerechnet Green Day die Fackel übernommen haben und damit losgerannt sind. Und sie klingen, als wären sie darüber selbst so erschrocken wie alle anderen.