Nein, zu einem der besten Alben der letzten 20 Jahre hat Brandon Flowers „Day & Age“ noch nicht ernannt. Der Killers-Chef ist vorsichtiger geworden. Anders als auf „Sam’s Town“ eifert das Quartett aus Las Vegas jetzt auch nicht mehr Bruce Springsteen nach, sondern berauscht sich mehr denn je am Pop der 80er Jahre.

Auf ihrem dritten Album empfehlen sich The Killers darum nicht als die neuen U2. Eher als die neuen Keane. Was daran liegen dürfte, dass bei beiden Bands der Produzent Stuart Price seine Finger im Spiel hatte, der als Chef einer Geschmacksmafia gelten darf, die uns unbedingt zurück in die Eighties zwingen will.

Bei „Human“ zum Beispiel. Leben wir selbstbestimmt oder tanzen wir nur wie Marionetten durchs Leben, fragt Flowers in diesem Zuckerwatte-RetroTraum aus Casio-Sounds, Pet Shop Boys-Melodien und einem stampfenden Beat, auf den die Hitfabrik Stock-Aitken-Waterman stolz gewesen wäre. Hatte Flowers auf dem Killers-Debüt „Hot Fuss“ (2004) noch exaltiert nach „Glamorous Indie Rock & Roll“ verlangt, so verkleidet er sich jetzt statt als David Bowie als Rick Astley.

Doch The Killers und ihre pompösen Refrains fühlen sich wohl in den engen Klamotten, die ihnen Stuart Price anzieht. Vergnügen sich mit Saxofonen, die mal sentimental, mal ungestüm durch Nummern wie „Losing Touch“ oder „Joy Ride“ tröten. Verzieren „This Is Your Live“ mit Spinett, U2-Gitarre und einem „Road To Nowhere“-Marsch oder „I Can’t Stay“ mit Steel-Drums, Harfe und dem Latin-Groove des Sixties-Gassenhauers „Concrete And Clay“. Zähmen den Rocker, der in „Neon Tiger“ schlummert, mit Streicher-Sounds. Irren mit „The World We Live In“ über die Tanzfläche.

Nur wenige Nummern bemühen sich darum, dem unverbindlichen Eighties-Einheitssound zu entfliehen: So sehnt sich das orchestrale Dramolett „A Dustland Fairytale“ nach „Sam’s Town“ zurück, während sich das über Vergänglichkeit sinnierende Sternenfahrer-Epos „Goodnight, Travel Well“ doch noch auf die Suche nach David Bowie begibt.

Gunther Reinhardt