Roky Erickson With Okkervil River
„True Love Cast Out All Evil“
Eine verstimmte Gitarre taucht auf, aus dem Rauschen der Zeit, eine brüchige, irgendwie alterslose Stimme singt von Jesus, Moses und psychedelischen Pilzen, Streicher setzten ein und der Song zerbricht. Eine makellos aufgenommene Gitarre setzt ein, eine alte, kaputte Stimme singt zu countryeskem Arrangement etwas von einem Typen, der wieder auf den Highway muss und vom Blues.
Zwei Songs. Der erste klingt, wie nur der wundervolle, wunderliche, seelenwunde Roky Erickson klingen kann. Der zweite klingt, wie Comebacks alter Helden in 95 Prozent aller Fälle klingen. Zusammen bilden sie den Beginn von „True Love Cast Out All Evil“, dem ersten Album des Ex-13th-Floor-Elevators-Sängers mit neuen Songs in 14 Jahren. Begleitet wird der 62-Jährige von der Band Okkervil River, deren Songwriter Will Sheff das Album auch produzierte. Er suchte die „neuen“ Songs aus 60 bisher unveröffentlichten Kompositionen aus (einzig der Titelsong erschien bereits 1988 in einer soloakustischen Version), die Erickson in den letzten viereinhalb Dekaden schrieb und ordnete sie so an, dass sie die tragische Geschichte ihres Schöpfers erzählen – es geht um Drogen, Schmerz, Wahnsinn und Gott. Eine sehr amerikanische Erzählung ist das, ein bisschen wie die Johnny-Cash-Saga „Walk the Line“. Und natürlich mit Happy End.
Doch aus Roky Ericksons fragiler, verzweifelter Songkunst lässt sich nicht ohne Schaden ein Denkmal bauen. Das Pathos des Konzepts und das gut gemeinte handfeste Gemucke der Band liegen schwer auf diesen Liedern. Die robusten wie „Good Bye Sweet Dreams“ und „Bring Back The Past“ überstehen das, die schwachen und die zerbrechlichen werden erdrückt. Am Ende steht noch einmal eine rührende, rauschende Archivaufnahme aus der Geschlossenen mit Vögelzwitschern und drübergelegten Streichern, „God Is Everywhere“ – da übertreibt Roky Erickson ein bisschen. (Chemikal Underground)
Maik Brüggemeyer