Wüsste man es nicht besser, könnte man Herrn Frevert glatt mit Herrn Distelmeyer verwechseln. Etwa, wenn er mit weicher Stimme zu Cellowehmut und Streicherdramatik in „Schlangenlinien“ vom Eichhörnchenfütterer mit silbergrauem Haar erzählt, unrein „kein Trinker, eher Witwer“ reimt und mit offenen Augen träumend seinen Gedanken nachhängt, während er durch die Stadt läuft.

Früher – sowohl bei Nationalgalerie und solo – hat sich Frevert lieber in Innenwelten verbarrikadiert, hat sich als introvertiert-empfindsamer Songwriter etabliert. Eigenbrötlerisch gibt er sich auf „Zettel auf dem Boden“ zwar immer noch, doch die Neugier ist größer geworden, die Suche nach einem Gegenüber allgegenwärtig. Und in „Ich würde dir helfen, eine Leiche zu verscharren, wenn’s nicht meine ist“ verwandelt sich ein Liebeslied dann sogar in einen Gospel, bei dem Gisbert zu Knyphausen und Nils Koppruch im Chor singen.

Freverts Musik klingt sanfter, die Stimme nicht mehr so brüchig. Streicher begleiten einen durch fast alle Lieder, die meist um eine Akustikgitarre herum gebaut wurden. Flirts mit Grunge und Americana scheinen abgehakt, geblieben ist die Aztec-Camera-Verehrung – am deutlichsten herauszuhören im zartbitteren „Bis jemand mich hört“,  das von Herman van Veen stammt. Bei hübsch mit Klavierkadenzen, Akkordeons, Streicherseufzern oder Flügelhorn dekorierten Popchansons wie dem schlurfenden „Frustrationstoleranz, Herr Frevert“, der Easy-Listening-Variation „Wohin hat es deine Sprache verschlagen“, der hübschen Jenseitsballade „Blinken am Horizont“ oder dem verworrenen Walzer „Im Regenwald“ vermisst man allerdings doch immer wieder mal die stille Verzweiflung von früher.

Ich bin ganz normal empfindlich/ Nur die Lieder taugen wirklich nicht zur Untermalung„, beschwert er sich zwar in der Tourimpression „Zürich“. Doch wenn irgendwelche Songs von Niels Frevert je zur Hintergrundberieselung getaugt haben, dann am ehesten die auf „Zettel auf dem Boden“.

Beste Songs: „Ich würde dir helfen, eine Leiche …“, „Im Regenwald“