Die Streicher schleichen sich langsam an, ein Sturm setzt ein, dann beginnt Tori Amos zu singen: „That is not my blood on the bedroom floor/ That is not the glass that I threw before …“ Kurz hofft man, es könnte ein normales, also außergewöhnliches Album von Tori Amos sein, wie sie einige herausbrachte in den 90er-Jahren: wunderbare Songwriter-Alben mit irren Texten, dieser überkippenden Stimme und dem zart wütenden Klavier. Aber Tori Amos hat wieder mal ein Konzept. Sie hat schon männliche Lieder aus Frauensicht gesungen, ein Reisetagebuch vertont, dann ein Album aus vier verschiedenen Perspektiven erzählt, schließlich ein Weihnachtswerk fabriziert. Und jetzt ist es wahrscheinlich nur konsequent, dass sie mit einem halbklassischen Werk ankommt. Immerhin hat sie in Baltimore mal am Konservatorium studiert, bis die Rockmusik sie wegriss.

Der Songreigen „Night Of Hunters“ ist inspiriert von Schubert und Chopin, und es sind nur akustische Instrumente zu hören, darunter ein polnisches Streichquartett und allerlei andere Virtuosen, auch Toris Nichte und Tochter singen mit. Das Klavier steht wie immer neben der Stimme im Vordergrund, aber das ganze prätentiöse Drumherum nervt auf Dauer doch, und nach 14 Liedern und mehr als 70 Minuten wünscht man sich einfach die wilde Rothaarige zurück, die sich nicht hinter unnötigen Vorgaben und immer neuen Masken versteckt, sondern ihre Wut und ihre Liebe und all ihre Widersprüche einfach ausspuckt – ohne Konzept, aber voller Leidenschaft.