Die meistüberschätzten Filme aller Zeiten: Das Leben der Anderen

„Das Leben der Anderen“ ist die Mutter aller verklärenden Historienfilme, die mit einer großen Portion Bedeutungsballast und Kitsch allen Unwägbarkeiten der deutschen Geschichte den Garaus machen wollen.

Die Deutschen sehnen sich anscheinend immerzu nach Bestätigung für das, was sie tun. Hätte Volker Schlöndorff nicht mit der „Blechtrommel“ (1979) in der Kategorie ‚Bester ausländischer Film’ den Oscar gewonnen, ja wer hätte denn außerhalb von Deutschland annehmen können, dass hierzulande auch bedeutungsvolles Kino gemacht wird?

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Nun, auch dem Stasi-Drama „Das Leben der anderen“ gelang dieses ‚Kunststück’ und verschaffte seinem Regisseur, Florian Henckel von Donnersmarck, für einen Moment den Ruf, so etwas wie das Wunderkind eines neuen deutschen Films zu sein: endlich ein Quantum Hollywood-Flair in Deutschland.

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Als würde einfach vergessen, dass im Ausland vor allem Filmemacher wie Fatih Akin, Andreas Dresen oder die Meister(innen) der Berliner Schule für die Qualitäten deutschen Weltkinos neueren Datums einstehen. Frankreich spricht von der Nouvelle vague allemande, in Good Ol‘ Germany kennen viele nicht einmal die Namen Valeska Grisebach oder Benjamin Heisenberg.

Natürlich bekam Florian Henckel von Donnersmark die Einladung in die Staaten, um seinem Ego unter dem Brennglas der dortigen Glamour-Bedingungen einer Prüfung zu unterziehen. Und er versemmelte mit „The Tourist“ alle Hoffnungen, die wohl vor allem er selbst in sich gesetzt hatte.

„Das Leben der Anderen“: die Mutter aller kitschig-verklärenden deutschen Historienfilme

„Das Leben der Anderen“ wurde als aufklärerischer, geradezu hellsichtiger Historienfilm gefeiert; im Überschwang der positiven Kritiken erkannte man darin sogar die Vivisektion eines kommunistischen Unrechtsstaates, wie sie in der Geschichte des Kinos kaum ein zweites Mal zu finden ist. In Wahrheit ist das zweifellos berührende Melodram, das der Freiheit eines humanistischen Weltgeistes etwas beschwipst von der eigenen Bedeutung zuprostet, auch dafür verantwortlich, dass seitdem unzählige Filme auf die Leinwand („Der Baader Meinhof Komplex“, 2008) und vor allem ins Fernsehen („Unsere Mütter, unsere Väter“, 2013) kommen, die mit Pomp und Pathos einen Schlussstrich unter die deutsche Geschichte ziehen wollen.

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Hinfort mit Schuldgefühlen, zurück zur Schicksalsgemeinschaft. Endlich dürfen die Täter sich auch ein wenig wie Opfer fühlen, vor allem dann, wenn einige wenige Herzensmenschen der Kühle kleingeistiger Regime-Roboter entgegentreten.

Die Vergangenheit wird zum Imaginarium für „die großen Gefühle“ (die natürlich noch wertvoller sind, wenn man sie nur wenigen unterstellen darf) – und Ulrich Mühe symbolisiert mit seinem melancholisch-nachdenklichen Gesicht die Betroffenheit eines ganzen Volkes, das mit den Widrigkeiten des DDR-Alltags entweder nichts zu tun haben will oder es aus biographischen Gründen sentimental verklärt („Es war nicht alles schlecht!“).

Platte Figuren, zähe Story

Mühes subtile und zurecht gefeierte Darstellung des Stasi-Hauptmanns Gerd Wiesler übertüncht von vornherein, wie holzschnittartig die anderen Figuren angelegt sind. Sebastian Koch, inzwischen längst auch im Ausland ein bekanntes Gesicht, spielt einen Gutmenschen völlig ohne Ambivalenz. Immerhin vergisst der Film nicht, dem von der sentimentalen Musik Gabriel Yareds gebannten Zuschauer mit vielfachen Anspielungen an Brecht und der „Sonate vom guten Menschen“ auf diesen Umstand hinzuweisen. Martina Gedeck dürfte sich in der Rolle seiner einfältigen Ehefrau schauspielerisch fast so unterfordert gefühlt haben wie in Oskar Roehlers misslungener Houellebecq-Verfilmung „Elementarteilchen“ (2006).

Vielleicht hatten die Berlinale-Veranstalter doch einen Grund, warum sie „Das Leben der Anderen“ 2006 nicht zum Wettbewerb zuließen: Wie Hitchcock in „Der zerrissene Vorhang“ (1966) ließ es sich Henckel von Donnersmark nicht nehmen, die DDR als graugetöntes Fantasy-Dystopia zu zeichnen. Das sich bewusst modern gebende Stasi-Drama verschleiert den Umstand allerdings etwas gekonnter, in dem es der Erzählung als unerhörte Begebenheit kennzeichnet und ihr den Anstrich einer hyperrealistisch anmutenden Reportage gibt.

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Hier zählen die Regeln des Horrorfilms mehr als ein schonungslos realistischer Blick auf die Vergangenheit. Und natürlich ist alles etwas zu lang geraten; zuletzt zieht sich der Film wie Kaugummi, nur weil die wehmütige Schlusspointe zwangsläufig Jahre nach der eigentlichen Handlung in ein Buchgeschäft führen muss.

Was uns der Autor damit eigentlich sagen will: Du brauchst eine gute Geschichte, um die Unwägbarkeiten der Geschichte hinwegzufegen. Fakten werden arrangiert, damit sie schlussendlich einen Spannungsbogen ergeben, der keinen Zuschauer unberührt lässt. Der Regisseur will Deutschland, dem er heimlich unterstellt, Verdrängungsweltmeister zu sein, zwingen, hinzugucken.

Ein Konzept, das sich natürlich auch in einem anderen Kontext wiederholen ließ und gerade in den USA auf einen fruchtbaren Boden trifft. Never Look Away.

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