Die Toten Hosen: Clubkonzert in Bochum – Campinos Tanz auf dem Lüftungsrohr
Vor einem Jahr spielten sie noch in ausverkauften Stadien. Zuletzt zwei Konzerte vor jeweils 45.000 Zuschauern in ihrer Heimatstadt Düsseldorf. Nun traten sie vor gerade einmal 800 Fans auf: Die Toten Hosen gaben am Montag in Bochum eines von gerade einmal zwei Deutschland-Konzerten 2014, in der Zeche Bochum.
Die Ankündigung des Konzerts kam für die Fans überraschend: Nach dem Ende ihrer „Der Krach der Republik“-Tournee 2013 hatten Die Toten Hosen schließlich eine Pause von mindestens zwei Jahren angekündigt. Nun gut, jetzt haben sie es doch nur ein Jahr durchgehalten. Innerhalb weniger Sekunden war das Konzert in der Zeche Bochum, 800 Zuschauer passen da rein, komplett ausverkauft.
Wie es sich für solch eine kleine Location gehört, beginnen die Hosen ihren Auftritt nicht wie zuletzt auf der „Krach der Reupublik“-Tour mit dem Intro „Drei Kreuze (dass wir hier sind)“ und dem nach vorne preschenden „Ballast der Republik“. Stattdessen haben sie in ihrer Erinnerungs-Kiste gekramt und dabei das russische Volkslied „Kalinka“ wieder für sich entdeckt, das einige Fans schon aus der Vergangenheit kennen. Um das Publikum nun sofort auf den restlichen Abend einzustimmen, kommt die Band mit „Strom“ auf die Bühne.
Von nun an wird der Abend alles andere als ein normales Konzert sein. Denn im Anschluss holt die Band eines ihrer ersten Lieder aus dem Gepäck: „Unter falscher Flagge“ von ihrem gleichnamigen zweiten Album aus dem Jahr 1984 – besser bekannt als „Auf der Suche nach der Schnapsinsel“.
Im Laufe des Abends zieht die Band nun einen selten gespielten Hit nach dem anderen aus dem Hut: „Glückspiraten“, „Der Abt von Andex“, „Keine Ahnung“ oder ihre erste Single „Wir sind bereit“.
Während all der Raritäten fällt natürlich auch der ein oder anderer Fehler der Band auf, es gibt kleine Textaussetzer bei Campino – was der Stimmung aber nicht im Geringsten schadet. Campino hat zu Beginn schließlich schon angekündigt, dass das Konzert wohl eines der „am schlechtesten vorbereiteten“ der Band sei.
Der Auftritt in Bochum ist schließlich auch ein Aufwärm-Konzert. Denn am 6. Dezember sind die Düsseldorfer zu Gast in Myanmar – und werden dort ein Gratis-Konzert spielen. Die Deutsche Botschaft in Yangon hatte sie gefragt, ob sie 60 Jahre nach den ersten diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Myanmar nicht dort spielen wollten. Für diesen Anlass wärmen sich die Hosen nun also gerade erst auf.
Neben Ansagen für den Auftritt in Myanmar probt die Band auch eigens einstudierte Lieder: Mit „Yangon Calling“ verbeugen sie sich vor der dortigen Punk-Szene. Diese hat den The-Clash-Klassiker „London Calling“ nämlich in ihre eigene Version umgetextet. Im Grunde ist das nichts besonders. Im Hinblick auf die Jahrzehnte andauernde Einschränkung der Kunstfreiheit in diesem Land, gehört dazu aber eine Menge Mut.
Schon vor der Ansage entschuldigt sich Campino bei der restlichen Band. Eigentlich wolle er nämlich gar nicht auf die Band-Aid-Diskussion der letzten Tage eingehen. Allerdings ist die deutsche Version von „Do they know it’s Christmas?“ kurz vorher auf Platz eins der Charts eingestiegen – der bisherige Erfolg und die Menge an Geld, die der Song bisher eingespielt habe, sei daher „das beste Fuck You“, das man jetzt rufen könne.
Außerdem bedankt er sich noch einmal bei allen Unterstützern des Projekts. Andreas Bourani sei im dabei besonders positiv aufgefallen: „Ich kannte den vorher gar nicht“, erklärt Campino lachend. Trotzdem sei er von Bouranis Hilfe beim Projekt sehr begeistert. Von Anfang an habe Bourani seine Unterstützung angekündigt und stehe nach wie vor hinter der Aktion.
Kurz vor Ende des Konzerts lässt es sich Campino dann nicht nehmen, die Location noch einmal selbst zu erkunden. Mit einem Sprung in die Menge gelangt er auf eine Empore, von wo aus einige Fans das Konzert verfolgen. Oben angekommen klettert er sofort über die Absperrung und steht nun über der Bar auf einem Lüftungsrohr, das bedrohlich wackelt. Campino lässt sich davon aber nicht abschrecken und nutzt es für eine Strophe als Bühne, bevor er sich in die Menge wirft und sich zurück gleiten lässt.
Selbst „Tage Wie Diese“ hat so in Bochum neuen Charme bekommen, als Campino nicht wusste, wann genau er mit der Strophe ihres bisher größten Erfolgs anfangen muss und mehrmals Kuddel um Hilfe bat. Diese kleinen Fehler und Unsicherheiten während des Konzerts haben durch den gewohnt selbstironischen Umgang damit sympathisch gewirkt: Die Toten Hosen sind nach einem Jahr Band-Pause zurück und dabei in Bestform.
Setlist:
1.Intro
(Kalinka)
1.Strom
2.Unter falscher Flagge
3.Altes Fieber
4.Glückspiraten
5.Auswärtsspiel
6.Du lebst nur einmal (vorher) 7.Das ist der Moment
8.Alles was war
9.London Calling
(The Clash Cover)
10.Helden und Diebe
11.Heute hier, morgen dort (Hannes Wader Cover)
12.Bonnie & Clyde
13.Der Abt von Andex
14.Keine Ahnung
15.Niemals einer Meinung 16.Schade, wie kann das passieren? 17.Pushed Again
18.Liebeslied
19.Hier kommt Alex
20.Wünsch DIR was
21.Mehr davon
Encore:
22.All die ganzen Jahre
23.Song 2
(Blur Cover)
24.Schönen Gruß, auf Wiederseh’n
Encore 2:
25.Verschwende deine Zeit
26.Achterbahn 27.
Blitzkrieg Bop
(Ramones Cover)
28.Halbstark
(The Yankees Cover)
29.Reisefieber
30.Opel-Gang
31.Freunde
Encore 3:
32.Bis zum bitteren Ende 33.Wir sind bereit
34.Call of the Wild
35.Far Far Away
(Slade Cover)
36.Tage wie diese
37.You’ll Never Walk Alone