Prince: So waren seine drei Konzerte beim Montreux Jazz Festival 2013
Am Wochenende spielte Superstar Prince gleich dreimal in Folge beim Jazz Festival in Montreux. Hier unser Nachbericht der Shows vom 13.-15. Juli 2013.
Den Machern des Montreux Jazz Festival gelingt es seit Jahrzehnten außergewöhnlich gut, klassische Jazz-Interpreten und Künstler aus dem Bereich der populären Musik in ihrem Programm zu verbinden. 2013 waren unter anderem Leonard Cohen, Green Day, Kraftwerk und Sting dabei. Und Prince.
Prince, der hierzulande mittlerweile vor allem als 80er-Jahre-Künstler gilt und – so sagen einige – auf Platte nichts Nennenswertes mehr veröffentlicht seit 1988, ist weiterhin einer der talentiertesten Popmusiker unserer Zeit. Er hat auch schon 2007 und 2009 in Montreux gespielt – und wurde für diese Auftritte vom Publikum und der Presse triumphal gefeiert. 2013 sollte er wiederkommen, für drei ausverkaufte Shows an drei Abenden: „Three Concerts – Three Different Shows“, so die Ankündigung.
Drei Konzerte, drei verschiedene Shows: Konzert 1 & 2 von Prince in Montreux am 13. und 14. Juli 2013
Show Eins und Zwei waren vom Aufbau ähnlich. Prince spielt mit einer komplett neu zusammengestellten Big Band, bestehend aus seinem aktuellen Damen-Kerntrio „3rdeyegirl“ an Gitarre, Bass und Schlagzeug, verstärkt um einen weiteren Bass, Piano, drei Sängerinnen sowie zwölf Bläser, den kraftvollen „NPG Hornz“. Und Prince wäre nicht Prince, hätte er nicht auch eine umwerfend attraktive Tänzerin im Gepäck: Damaris Lewis, Bikini-Model. Lewis überzeugt allerdings mehr mit ihrem Aussehen als mit ihren tänzerischen Darbietungen.
Prince gibt sich als souveräner Bandleader im Stile eines James Brown und wirkt optisch – mit Afro und hochgeschlossenem Anzug – fast wie ein Priester, der Funk und Soul lehrt. Vorbei die Zeiten, in den er sich als „His Royal Badness“ inszenierte. Er wirkt jetzt angenehm gereift.
Die Songauswahl überrascht. Viel Unveröffentliches, kaum Hits. Er spielt Obskures aus früheren Jahren („Days Of Wild“, „Mutiny“), neue Songs, die bisher nur im Internet kursieren (wie das funkige „Ain’t Gonna Miss U When U’re Gone“ und das jazzige „Big City“), Insider-Favoriten („Housequake“, „Old Friends 4 Sale“) und einige Coverversionen aus der Soulgeschichte (von James Brown, Aretha Franklin und Curtis Mayfield). Das Wagnis gelingt: Die Songs – ob dem Publikum bekannt oder nicht – klingen frisch und vital. Vor allem die Bläser sorgen für Mardi-Gras-Stimmung. Einige der gar zu langen Improvisationen wären allerdings gekürzt sicher besser angekommen.
Prince selbst hält sich überraschend zurück. Hier steht ein Mann, der weiß, was er alles kann – aber nicht mehr alles zeigen muss. Vielmehr ist er in der Rolle des Bandleaders zu beobachten und natürlich des Sängers – seine Stimme klingt ausdrucksstark wie lange nicht mehr. „Something In The Water (Does Not Compute)“ in Montreux mit einer reduzierten Pianobegleitung – eigentlich ein Electro-Funk-Song – vorgetragen, ist schlichtweg überragend.
Die erste Show endet mit einer Dankesrede an den Anfang des Jahres verstorbenen Claude Nobs, Gründer und Identifikationsfigur des Montreux Jazz Festivals, sowie einer sehr intimen Version des Klassikers „Purple Rain“ – ganz ohne das obligatorische Prince-Gitarrensolo.
Show Zwei ist zwar ähnlich aufgebaut, aber es werden mehr Hits gespielt („Nothing Compares 2 U“, „Take Me With U“, „Raspberry Beret“). Die Hardcore-Fans sind etwas enttäuscht (zuviele Hits), ein Großteil des Publikums feiert die bekannten Songs dafür begeistert. Die magische Energie des ersten Tages lässt sich jedoch nicht wiederholen. Es scheint, als hätten der Meister und seine Big Band die meiste Energie schon am Vortag verbraucht.
Konzert 3 von Prince in Montreux am 15. Juli 2013
Die dritte Show ist das Gegenteil zu den Konzerten an den Abenden zuvor: keine Bläser, keine Backgroundsängerinnen, keine Tänzerin, keine Showeinlagen – einfach nur Prince und seine aktuelle Kernband „3rdeyegirl“, bestehend aus Donna Grantis an der zweiten Gitarre, Ida Nielsen am Bass und Hannah Ford am Schlagzeug.
Beim elitären Publikum vor Ort wird viel darüber diskutiert, wie man Prince am liebsten mag. Was aber wollen europäische Ohren wirklich? Meist ist das doch eher weißer Rock, vielleicht auch Folk oder elektronische Musik, nicht aber falsettgesungenen, schwülstigen Soul. Oder? Selbst Marvin Gaye oder Curtis Mayfield hatten außerhalb der USA nie den Mainstreamerfolg, der ihnen wohl zugestanden hätte. Prince selbst schaffte für ein paar Jahre den Crossover zwischen Soul, Rock und Pop, hat sich dieses Erbe aber großteils mit Namenswechsel und vielen in Europa nicht geglückten Karriere-Moves verspielt.
Und jetzt das: Ein pulsierendes, treibendes Rockset, das Jimi Hendrix näher steht als Led Zeppelin. „Do you like Rock’n’Roll?“ , schreit Prince, und hinterher: „Me, too. But I like it funky“. Sagt es – und fegt den Zuhörer geradezu weg mit seinem funky Rock. Schon mit der langsamen, bluesigen Version von „Let’s Go Crazy“ als Eröffnungstück und einem kurzen „Frankenstein“-Zwischenspiel, gefolgt von Songs aus der 35 Jahre dauernden Karriere von Prince („Bambi“, „She’s Always In My Hair“, „I Could Never Take The Place Of Your Man“), allesamt mit einer brachialen Energie gespielt.
Besonders beeindruckend: Princes Hommage an Jimi Hendrix‘ „Dreamer“, das auch als Coverversion von „Voodoo Chile“ mit neuem Text durchgehen würde. Wenn er will – und heute will er – spielt er wie ein Gott. Die Energie ist überwältigend, das Publikum schweißgebadet und die Augen des Prinzen leuchten: Das jazzorientierte Publikum des Montreux Jazz Festivals ist auch mit Rock völlig aus der Reserve zu locken! Bei den Zugaben eben dieser Rockshow tauscht Prince Gitarre gegen Keyboard und bringt nochmals ein Medley einiger Hits als Einlage. Dazu holt er weinende Fans aus den ersten Reihen auf die Bühne. Einige davon reisen ihm seit 1985 zu jeder europäischen Show nach.
Prince spielt Gitarre wie nie ein Funkstar zuvor
Das Fazit von drei Abenden Prince live: In Montreux stellt er zwei neue Bandkonzepte vor, die sich widersprechen, aber jeweils für sich funktionieren. Das Big-Band-Konzept klingt differenzierter, verspielter und souliger, die klassische Rockausstattung dagegen hört sich fokussierter, energetischer und wilder an. Wir dürfen gespannt sein, was folgt.
Übrigens: Es ist noch nicht bestätigt, aber es wird gemunkelt, dass Prince mit 3rdeyegirl eine Clubtour in Europa durchführen möchte – vielleicht auch eine neue Platte veröffentlichen will. Sollte sich dies bestätigen und jemand möchte einen Prince erleben, der seine Hits hinter sich lässt, frei und wild aufspielt, einen, pardon, Scheiß auf die Erwartungen des Publikums gibt und Gitarre spielt wie selten, nein, wie nie ein Funkstar zuvor– dem seien diese Konzerte empfohlen.