The Hoff in Berlin – Gassenhauer für die Zukunft der Stadt
Hauptsache Alarm - und immer schon uffjeregt durcheinanderquatschen: David Hasselhoff will die East Side Gallery retten. Die Frage ist: Lassen sich alternative Nutzungskonzepte dauerhaft gegen massive Investorenwünsche erhalten?
Berlin ist schon ein komisches Pflaster. Man könnte auch sagen: ein einzigartiges. Da reihen sich in bester City-Randlage – direkt am Spreeufer – ein musikalischer Abenteuerspielplatz nach dem anderen. Der Liveclub „ADS“ an der Schillingbrücke (ehemaliges „Maria am Ufer“). Gegenüber das Villa-Kunterbunt-Gelände des „Kater Holzig“ plus einige Trittbrettfahrer-Freiluftclubs gleich nebenan. Etwas weiter auf der Maria-Seite den Fluss hoch schließlich das chillige Downbeat-und-Reggae-Gelände des „Yaam“ mit Beach-Volleyball-Feld und Basketballzone. Das weltwichtige „Berghain“, ein ehemaliges Kraftwerk, steht mit grimmiger Fassade im Hinterland. Soweit, so popkulturell.
Nun sind diese besonderen Biotope seit geraumer Zeit gefährdet. Unter dem Dachkonzept „Mediaspree“ vermarktet die offizielle Stadtplanung des Senats die gesamte Uferzone. Einige Baufelder sind bereits Baustellen. Andere warten auf ihre Umgestaltung in Hotels, Büros, Eigentumswohnungen. Zwischen „Yaam“ und der o2-Mehrzweckhalle etwa steht die neue Vertriebszentrale von Daimler Benz kurz vor ihrer Fertigstellung. In der unwirtlichen Gegend treffen schroffe Gegensätze aufeinander. Glasfassaden versus Bollerbeats und Flaschenbier aus dem Bauwagen-Kiosk.
Von diesem Hintergrund war der vielbeachtete Besuch von David Hasselhoff bei einer streckenweise satirischen Pressekonferenz im „Yaam“, die vom Kameraaufkommen an einen Staatsbesuch erinnerte, typisch für die Berliner Situation. Hauptsache Alarm – und immer schon uffjeregt durcheinanderquatschen. Vordergründig ging es beim Pathos-triefenden Gastspiel von The Hoff, der einmal mehr an seine Verdienste rund um 1989 erinnerte, um den Erhalt der „East Side Gallery“. Im Gegensatz zu einigen Presse- und TV-Kollegen erledigte David Hasselhoff das auf eine recht sympathische, selbstironische Art. Der nachfolgende „Mauerspaziergang“ geriet anfangs zu einer Drängelorgie, bei der sich Kampfhund-Kamerateams, Autogrammjäger und gerade aus den Clubs gefallene Rave-Demonstranten im Hipster-Look hoffnungslos ineinander verkeilten.
Vordergründig geht es bei all dem Alarm ja um die „East Side Gallery“ als Erinnerungsort, einem rund 1600 Meter langen Stück Originalmauer, das mit allerlei Kitschkunst bemalt ist. Weit wichtiger erscheint das mit allen Mitteln des PR-Zirkus geführte Ringen um die Zukunft der Stadt. Soll und darf hier ein Wohnturm nebst Randbebauung für die Reichen und Schönen errichtet werden, der mit Quadratmeterpreisen bis zu 7.500 Euro aufwartet? Soll oder will Berlin also so wohlhabend (und normal?) werden wie Paris oder München? Man darf sich gleichzeitig fragen, ob wirklich jemand in ein derart umstrittenes Haus einziehen will.
„Schon jetzt das meist gehasste Gebäude Berlins“, schrieb eine Tageszeitung.
Abgefackelte Porsche Cayennes dürften dann zur Folklore gehören. Lassen sich andererseits alternative Nutzungskonzepte dauerhaft gegen massive Investorenwünsche erhalten!? Nur vor diesem Hintergrund ist der bizarre The-Hoff-Aufmarsch zu verstehen. Und auch sein aus dem Lautsprecherwagen vorgetragenes „Looking for Freedom“-Liedchen. Klappern für die gute Sache.
Und so war der etwas untergegangene Flyer zur Online-Petition change.org/eastsidegallery letztlich der interessanteste Aspekts dieses launigen Sonntagmittags: “Luxuswohnungen auf dem Todesstreifen sind nicht das Berlin, das wir uns wünschen“, hieß es dort. Es bleibt völlig offen, ob diese Position durchzusetzen ist, nachdem der Kreativprotest sich wieder in den grauen Alltag verzogen hat.
Die Aktivisten vom East-Side-Bündnis wollen jedenfalls nicht klein beigeben.