Disneyfilme und Gott: 1,2,3 aus Pittsburgh im Interview
Nic Snyder und Josh Sickels bilden die Band 1,2,3 aus Pittsburgh, unseren Artist to Watch dieser Woche. Mit "New Heaven" haben sie ein großartiges Debüt abgeliefert. Frontman Nic Snyder stand uns im Interview Rede und Antwort.
Es gibt einen neuen Stern am Zwei-Mann-Band-Himmel: 1,2,3 aus Pittsburgh, Pennsylvania. Sänger, Keyboarder und Gitarrist Nic Snyder und Schlagzeuger Josh Sickels bilden das Duo, das uns mit ihrem Debüt „New Heaven“ mitreißt, fasziniert und schlichtweg umhaut.
Obwohl es die Band in dieser Konstellation erst seit etwas mehr als einem Jahr gibt, sind sie in den USA und im Vereinigten Königreich schon erfolgreich: Live gilt die Band als Geheimtipp und ist seit Oktober nun beim amerikanischen Label Frenchkiss Records unter Vertrag, das auch Bands wie The Antlers, The Dodos und Passion Pit beheimatet. Produziert wurde ihr neues Album von Nicolas Vernhes, der unter anderem schon mit Björk und Animal Collective zusammen gearbeitet hat. Die Band ist für die Aufnahmen extra aus Pittsburgh nach New York City gefahren und hat es in Vernhes‘ eigenem Rare Book Room Studio aufgenommen.
„New Heaven“ heißt das gute Stück also, das bewundernswert facettenreich ist. Kein Song klingt wie der andere. Das Stadionrock-eske „Work“ leitet das Album mit Tambourinrasseln und Waschbrettenscharben ein, „Scared, but not that Scared“ entführt mit asiatischen Pentatoniken in andere Kulturen, „Sorry, Soldier“ bringt mit seinen langsamen Gitarren und melodischen Harmonien einen Hauch Country aufs Album. Darüber steht Nic Snyder mit seinem eindringlichen, souligen, fast transzendenten Gesang und bindet die instrumental so unterschiedlich klingenden Songs durchgehend aneinander.
1,2,3 lassen sich mit ihrem Debüt nicht auf ein Genre festlegen, dennoch klingt das Album flüssig und kohärent. Dabei entdeckt man auch noch beim zehnten Hören kleine Details. Im Song „Confetti“ beispielsweise beginnt Snyder, nur in Begleitung seiner Gitarre, die Zeile „Undertaker take me under oceans afar“ zu singen, nur um mit einem halblauten „Fucker!“ das Lied zu unterbrechen und mit vollem Sound eines Bandsets von vorne zu beginnen.
Seit dem 21. Juni kann man das Album in den USA und im Vereinigten Königreich kaufen. In Deutschland ist „New Heaven“ leider nur als Import erhältlich. Für uns war das aber kein Grund, uns nicht mit Frontmann Nic Snyder per Mail ausführlich auszutauschen.
Ihr seid ja jetzt mit der Band schon eine kleine Weile unterwegs. Wie habt ihr euch kennengelernt?
Nic Snyder: Tatsächlich ist diese Band nur etwas über ein Jahr alt. Josh und ich machen allerdings schon seit ungefähr zehn Jahren zusammen Musik. Ich habe ihn kennengelernt, als ich in der sechsten Klasse war. Er hatte blau gefärbte Haare und trug ein verwaschenes T-Shirt mit der Aufschrift „Punk’s Not Dead“. Wir haben uns sofort angefreundet und sind zusammen Skaten gegangen, haben zusammen Punkmusik gehört, solche Sachen. Es hat allerdings vier Jahre gedauert, bis wir schließlich Instrumente angefasst haben.
Wahrscheinlich stellt euch jeder diese Frage, aber warum nennt ihr euch 1,2,3?
Snyder: Es sind die ersten drei Zahlen und keine Band hat bisher so geheißen. Davon abgesehen, ist es ein total anonymer Name und das passt zu unserer Genre übergreifenden Musik. Außerdem sieht man die drei Ziffern überall, so werden die Leute ständig an uns erinnert. Das einzige, was an dem Namen schade ist,: Bei Google hat man ein paar Schwierigkeiten gefunden zu werden.
Welcher Song auf „New Heaven“ ist dein Lieblingssong und welche Geschichte steckt dahinter?
Snyder: Das dürfte „Heat Lighnin'“ sein. Ich habe den Song geschrieben, als ich noch in einer anderen Band war. Ich hatte ein Gespräch mit meinem Mitbewohner, als ich es geschrieben habe. Ich habe die ganze Zeit diese zwei Akkorde auf der Gitarre gespielt und irgendwie aufgehört, ihm zuzuhören. Nachdem ich das Lied geschrieben hatte, wusste ich, dass ich bei dieser Band aufhören musste und 1,2,3 gründen musste, weil ich etwas derartiges bisher noch nicht gehört hatte. Ich wollte, dass es einen Neustart beschleunigt. In dem Lied geht’s um die Geburt von neuem Leben. Die ursprüngliche Geburt des Lebens, aus stürmischen Wassern und Blitzen. So hat alles angefangen, das sagen sie zumindest alle. Es schien mir ein bedeutsames Thema für ein Lied zu sein.
1,2,3 – Heat Lightnin‘ by ListenBeforeYouBuy
Wie war es, die Garage zu verlassen um das Album in einem Hi-Fi-Studio in New York mit dem Produzenten Nicolas Vernhes (Björk, Animal Collective) aufzunehmen?
Snyder: Es hat sich wie eine lange Reise angefühlt, und das war es auch, da Josh und ich wirklich in der Garage angefangen haben, rudimentären Rock’n’Roll zu spielen. Aber das ist ja schon lange her, zwischen damals und heute hat es eine Menge Proberäume gegeben, aus denen wir uns ausgesperrt hatten, und wir haben mittlerweile auch schon in Clubs gespielt. Dennoch wurde diese Band gewissermaßen am Computer gezeugt. Wir fühlen uns in Studios zu Hause. So ein Aufnahmestudio kann man gut mit einem Hotel vergleichen: Manche sind hübscher eingerichtet und übertragen das, was man macht besser als andere. Nicolas Studio war wie das Ritz Carlton. Er hat uns dabei geholfen, das was in unseren Gehirnen köchelte tatsächlich zu in Form zu bringen und hat sich dennoch nicht eingemischt. Er hatte keine Angst, uns unser Ding machen zu lassen. Außerdem ist er einfach ein alter Charmeur.
Das Lied „Big Beige“ endet ihr mit den Akkorden des Beatles-Songs „Blackbird“. Inspirieren euch eher Songs oder Künstler?
Snyder: Das ist bei jedem Lied unterschiedlich. Als wir das Lied geschaffen haben, waren wir in Los Angeles. Ich habe am Ende des Songs angefangen „Blackbird“ zu spielen, so wie wir es aufgenommen haben, aber damals habe ich es noch ein bisschen weiter getrieben. Es war ein guter Indikator um zu sehen, ob unser Publikum uns tatsächlich zuhörte. Ich hab nach ein paar Takten aufgehört, aber es hat uns von unseren Freunden ein paar Lacher eingebracht. Trotzdem hat „Blackbird“ nichts mit dem Song zu tun. Ich dachte eher an die frühen Disney-Soundtracks, wie „Susi und Strolch“ und „Schneewittchen“. Ich wollte eine Art optimistische Magie für diesen Song. Keine Band also, und auch kein spezieller Song, der mich da inspiriert hat.
Einer eurer Tracks heißt „Can’t Bribe God“ und der Name eures Albums ist „New Heaven“. In eurem Blog weist ihr außerdem auf die Maya-Prophezeiung von der Apokalypse im Jahr 2012 hin. Spielt Religion oder Spiritualität eine Rolle in eurer Musik?
Snyder: Definitiv. Religion spielt eine riesige Rolle in der Musik. Und das ist schon eine Untertreibung. Ich gehöre keiner Religion explizit an, deswegen kann ich in dieser Beziehung auch wirklich ein breites Feld abdecken. Ich mag es über große Themen zu schreiben und die einzigen Dinge, die größer sind als der Glaube, sind Geld und Liebe. Im Moment weiß ich allerdings nicht, ob ich diese beiden Dinge genug verstehe, um drüber zu schreiben. Nicht, dass ich glaube, Religion oder Gott oder etwas derartiges zu verstehen, aber es ist einfacher dies in Worte zu verpacken. Geld und Liebe sind zu echt. Wie Lennon schon sagte: „Gott ist ein Konzept.“
In eurem Blog habt ihr geschrieben, dass ihr hofft, das Album wird so schwer einzuordnen, dass ihr von diesem Punkt aus in jede Richtung gehen könnt. Glückwünsch, das habt ihr geschafft. Was sind eure nächsten Schritte?
Snyder: (lacht) Ja, ich glaube, es hat wirklich funktioniert. Wir werden vermutlich in ein paar Monaten eine weitere Single veröffentlichen und die wird dann wahrscheinlich wie eine ganz andere Band klingen, weil wir uns dann auch so fühlen werden. Dann, irgendwann im nächsten Jahr, werden wir wahrscheinlich unser zweites Album veröffentlichen, wahrscheinlich wird es ein Doppelalbum. Schon jetzt habe ich etwa sieben oder acht neue Songs geschrieben. Ich singe da in tieferen Tonlagen und gehe bei einigen Texten mehr in die Tiefe. Ich denke, es wird ein Album werden, das Spaß macht, aber die Themen werden trotzdem genau so schwerwiegend sein wie jetzt. Es wird wuchern wie ein großes, episches Desaster. Ich habe einen Song geschrieben, der „Big Weather“ heißt und diese fröhliche Basslinie mit einem 80er-Jahre Hip-Hop-Beat kombiniert. Andere Songs kann man eher der Kategorie der Hymne zuordnen. Und ich habe mir jetzt eine Gibson Firebird zugelegt, also werde ich mich nun etwas dem Gitarren-Heldentum zuwenden. Eine Menge Ideen köcheln bereits. Es wird dennoch wieder ein Überraschungsei werden, da bin ich mir sicher, denn so schreiben wir unsere Songs. Allerdings wird die Platte vielleicht mehr auf ein Thema fixiert sein. Viele der Songs von „New Heaven“ wurden in einem Zeitraum von sieben Jahren geschrieben, also wird das neue Album in sich stimmiger sein.
Wo seht ihr euch in zwei oder drei Jahren?
Snyder: Ich weiß nicht, wo ich mich in drei Tagen sehe, also ist das wirklich eine schwierige Frage. Ich will nur weiterhin Musik machen. Hoffentlich haben wir bis dahin unser zweites Album eingespielt und arbeiten dann an einer dritten Platte. Es wäre schön, eine Art Radio-Hit zu haben. Ich weiß, dass es heutzutage sehr schwierig ist, aber ich hätte wirklich gerne einen Hit. Auch, wenn es nur ein Song ist. Die meisten meiner Helden, außer Big Star, hatten mindestens einen großen Hit.
1, 2, 3 – „Riding Coach“ by indiemusicfilter
Wenn du die Chance hättest, mit einem Künstler oder einer Band zu touren, egal ob tot oder lebendig, wer würde es sein?
Snyder: Vielleicht Joe Strummer, oder Woody Guthrie. Jemand, der eine so unglaubliche Fülle an Wissen hat und sie nicht so hortet wie Bob Dylan oder zu abgehoben ist, wie Elvis. Leonard Cohen wäre auch super, ich glaube, er wäre die meiste Zeit echt still und in sich gekehrt, aber an einem Abend würde er genau die richtige Menge Brandy trinken und ein Juwel in unseren Schoß fallen lassen.
Was ist dein Lieblingsgeräusch?
Snyder: Vielleicht das Geräusch einer bestimmten Mädchenstimme, oder der Klang des „White Albums“. Das kann sich jeden Moment ändern, wirklich. Grillen erfreuen das Gehör ziemlich. Verschwommenes Gitarrenspiel, Mädchen und Grillen. In dieser Reihenfolge.
Gibt es einen unbekannten Künstler, den wir unbedingt im Auge behalten sollten?
Snyder: Es gibt da eine Band aus St. Louis, sie heißen Mhurs. Das sind Freunde von uns. Die sind echt knallharte Typen. Sie haben kein Label, oder so, bringen bald aber selber ein Album heraus. Die sind wirklich gut, sehr energiegeladen. Das Gitarrenspiel ist sehr nett und ein bisschen spastisch und der Gesang ist wirklich nett und spastisch. Sucht nach ihnen, sie brauchen ein bisschen Liebe.