The Smashing Pumpkins live in Berlin: Diktatoren brauchen kein Feedback

Im kleinen Rahmen stellten Billy Corgan und seine neu formierten Smashing Pumpkins das kommende Album „Monuments To An Elegy“ vor. Die Stücke sind gut. Warum nur zeigte der Sänger so wenig Leidenschaft?

Draußen vor dem Berliner Kulturbrauerei tobt noch der Weihnachtsmarkt, aber wer gehofft hatte, Billy Corgan käme im Kostüm auf die Bühne, der wurde enttäuscht. Der Mann erscheint in Zivil, Hemd und Hose von der Stange. Früher war mehr Show: Glitzernde Polyesterhosen, schwarze Lederröcke, dann ein Zeitlang gar wie Priester in weißen Robe, so präsentierten sich Corgan und seine Smashing Pumpkins. Ihr seltsam komponiertes Wunderland aus Psychedelia, Woodstock, Atompilzen, Nosferatu und Atlantis strafte alle gleichaltrigen, um Haltung bemühten Indie-Bands Lügen. Zu sehen ist vom Panoptikum heute nichts – aber das ist vielleicht auch ganz gut so. Dass diesmal ein speckiger Roadie mit Kopfhörern am Bühnenrand Keyboard spielt, gebückt, und keine Zauberelfe wie anno 2000, macht es nur noch witziger.

Vor so kleinem Rahmen wie im Kesselhaus, das bis zu 1000 Zuschauer fasst, ist Corgan in Deutschland zuletzt 1991 aufgetreten. „Clubkonzert“, er will also etwas beweisen. Mit neu formierter Band: Neben dem bewährten Gitarristen Jeff Schroeder sind Brad Wilk (Rage Against The Machine) am Schlagzeug und Mark Stoermer (The Killers) am Bass hinzugekommen. Dieses Line-Up kann im nächsten Monat schon ganz anders aussehen. Im Studio spielte noch Tommy Lee die Drums, Corgan findet ja immer jemanden.

Es ist erst ihr zweiter gemeinsamer Auftritt, aber das Quartett spielt schon jetzt so gut wie die Urformation mit Jimmy „100 Schlagzeuge“ Chamberlin. Erstaunlich klasse auch die Stücke des kommenden Albums „Monuments To An Elegy“. Corgan war schon immer ein fähiger, auch unterschätzter Metal-Gitarrist, die Melodien von „One And All“ und „Monuments“ zeigen Wurzeln in Black Sabbath gleichermaßen wie in den Scorpions. In den besten Momenten klingen Corgan und sein Instrument, als hätte man sie in den Grand Canyon platziert und dort mit Winden, Regen und natürlichem Hall gearbeitet. Mit Donnerhall.

Nur zeigt der 47-Jährige wenig Lust an der Sache. Vielleicht liegt es am Jetlag, vor zwei Tagen erst startete die Clubtour in Chicago. Möglicherweise belastete Corgan auch der Lufthansastreik, der seine morgige Weiterreise durch Europa gefährden könnte? Er war ja nie ein guter Livesänger, umso wichtiger war bei der Band stets die Kommunikation, selbst dann, wenn es sich dabei um Corgan-Monologe über den Irakkrieg handelte. Heute erleben wir den wundersamen Diktator Corgan, der seinen eigenen Film fährt: Einen Grabenfotografen, der seine Kamera nicht auf ihn richtet, sondern einen Publikumsschwenk macht, mahnt er mit ausgestreckter Hand; in einem anderen, unfreiwillig sehr lustigen Moment versucht Corgan seine Gitarre auf der Monitorbox abzustellen. Als sie natürlich runterzufallen droht, fängt er sie auf, blickt zum Gitarrrenroadie und zuckt mit den Schultern, á la: „Guckste, muss ich alles selbst machen!“. Mit dem Publikum wechselt er kaum Worte.

Viele Fans sind natürlich gekommen um die Hits zu hören: „Disarm“ haben die Smashing Pumpkins live noch nie hinbekommen – der Streicher- und Glockenversion, die halb Playback sein müsste, hatte Corgan live nie vertraut, die heutige Rockversion klingt wie immer fahrig. „Zero“ dagegen ist stets ein Selbstläufer, die Haare stehen einem vor Elektrizität zu Berge, bei „Stand Inside Your Love“ mit dem Düsenantrieb-Gitarrensolo sowieso. Auch „Hummer“ ist Pumpkins, wie sie einst berühmt geworden waren. Es beginnt laut wie eine Jahrhundertwelle, und am Ende landet die Band auf einer Blumenwiese und spielt gezupfte Töne, bis sie sich wegträumt: „Ask Yourself A Question /Anyone But Me / I Ain’t Free“.

Zum neuen Pumpkins-Set passt die erstmals aufgeführte Coverversion von Bowies zynischem „Fame“. „Fame – What You Get Ist No Tomorrow“, singt Corgan, der in den Neunzigern als einer der größten Rockstars gehandelt wurde. Heute noch, in Interviews an den richtigen Stellen getriggert, kann er sich in Wutausbrüche gegen die Industrie hineinsteigern, die ihn später hat fallen lassen. Jetzt spielt Corgan eben vor treu ergebenen Anhängern, die meisten um die 40 Jahre alt, im Kesselhaus. Corgans „Fame“-Version ist schwer zu fassen, es bleibt der Fantasie überlassen, ob der Sänger sich lustig macht über Abstürzler, oder vielleicht doch die Bitterkeit aus ihm spricht.

Zum Ausgang hin, die Menge ist dicht gedrängt, führt der Weg am Tonmixer vorbei, es geht nur langsam voran. Beste Voraussetzungen für den Techniker, jeden zweiten Besucher nach dessen Meinung zum Konzert zu fragen. Audience Participation! Man kann ja in dem Gewusel leider nicht wegrennen. „Was it good? It was just the second night of the show! Was it good or not?“. Völlig ekstatisch. Der Mixer macht halt das, was Corgan nicht mehr tut: Feedback abholen.

Setlist:

One and All (We Are)

Being Beige

Hummer

Tiberius

Tonight, Tonight

Drum + Fife

Glass and the Ghost Children

Stand Inside Your Love

Monuments

Drown

Disarm

Zero

Bullet with Butterfly Wings

Fame

Silverfuck

Zugabe:

Burnt Orange-Black

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