„Hannibal“: Wie viel Blut ist gut?
Endlich läuft "Hannibal" an - und setzt neue Standards in Sachen Ekligkeit. Wie grausam müssen Thriller-Serien eigentlich sein?
Morgen wird es blutig: Auf Sat.1 startet die Serie „Hannibal“. Essen Sie vorher lieber nur etwas Leichtes! Gleich zu Beginn spritzt das Blut in Zeitlupe, während der mutmaßliche Mörder schlau daherredet. Es stellt sich dann schnell heraus, dass es doch der FBI-Profiler ist, der sich nur gut in das Gehirn von Serienkillern hineinversetzen kann und gern deren Gemetzel nachspielt, um ihnen auf die Schliche zu kommen. Der Brite Hugh Dancy spielt diesen Will Graham als ewig zweifelnden, von seiner Gabe beschädigten Wuschel, der als Professor viel besser dran wäre. Erst nach 20 Minuten tritt sein Kollege auf, von dem Graham noch nicht ahnt, dass er eigentlich der Erzfeind ist: Dr. Hannibal Lecter (Mads Mikkelsen). Die Serie spielt in der Zeit vor dem Blockbuster „Das Schweigen der Lämmer“, noch weiß keiner um die geheime Leidenschaft des Psychiaters. Der Zuschauer wird allerdings per Holzhammer darauf hingewiesen: Wenn Lecter ein schön angerichtetes Mahl verzehrt, hätte das eine Szene des subtilen Grauens werden können – aber leider sieht man auch, wie er sich die leckere Lunge zubereitet, und das hat nichts mit gewöhnlichem Gourmet-Kochen zu tun.
Da kann auch der wunderbare Mads Mikkelsen nicht viel retten, Lecter bleibt vorerst eindimensional – und Graham der interessantere Charakter. Er ist ein Kauz, der weibliche Opfer mit Willy Wonkas Schokoladentafeln vergleicht, es mangelt ihm an sozialer Kompetenz. Dafür ist seine Vorstellungskraft umso ergiebiger – und Bryan Fuller, der „Hannibal“ entwickelt hat, erspart uns nicht das kleinste Detail. Der Produzent und Drehbuchschreiber fiel bisher eher durch skurrile Serien wie „Pushing Daisies“ und „Dead Like Me“ auf. Nun hat er sich aufs allzu Offensichtliche verlegt. Lecter attestiert Graham gleich bei der ersten Begegnung „pure Empathie“ – eine Fähigkeit, die der Serie leider fehlt. Die Ästhetisierung der Gewalt macht sie nicht verständlicher, und manchmal könnte weniger vielleicht tatsächlich mal mehr sein: Wenn man nicht alles zeigt, ist der einzelne Schockmoment möglicherweise beeindruckender. Mir zumindest reicht es nach der dritten blutverschmierten Leiche und dem fünften genial konstruierten Mord meistens.
Ein Problem, das auch „The Following“, die neue Serie mit Kevin Bacon (dienstags auf RTL), hat: Wo soll die Geschichte hinführen, wenn man von Anfang an jederzeit mit dem Schlimmsten rechnet? Wie ist eine Steigerung möglich oder auch nur die Aufrechterhaltung der Spannung? Der Grundgedanke von „The Following“ ist immerhin gut: eine Art Serienmörder-Sekte, die nach Ideen von Edgar Allan Poe mordet. Das könnte tatsächlich poetisch sein, wenn es nicht dermaßen grausam wäre. All das Blut lenkt ja doch immer von den Charakteren ab, von den Ängsten und der zaghaften Liebesbeziehung – kurzum von allem, was nicht sofort ersichtlich ist, aber letztendlich eine Serie ausmacht, der man jahrelang folgen will.
Allerdings gibt es noch Hoffnung für „Hannibal“: Demnächst werden immerhin Gillian Anderson („Akte X“) und Cynthia Nixon („Sex And The City“) auftauchen, und Laurence Fishburne ist als Grahams Chef auch ein paar Stunden Zeit wert. Eine zweite Staffel ist ohnehin bereits bestellt, sie läuft 2014 an.