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Die 100 besten Songs der Beatles
Haben wir einen vergessen?
100. „Hello, Goodbye“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 2., 19. und 25. Oktober, 2. November 1967, Veröffentlicht: 9. November 1967, 7 Wochen, Nr. 1
Mccartney erhob nie den Anspruch, mit dem unwiderstehlich gut gelaunten „Hello, Goodbye“ den Gipfel seiner Songschreiber-Kunst erklommen zu haben. „Es ging um Gegensätze – wobei ich den positiven Pol vertrat.“ Alistair Taylor, die Assistentin von Brian Epstein, erinnert sich, wie McCartney ihr die Kunst des Songschreibens zu vermitteln versuchte:
100. „Hello, Goodbye“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 2., 19. und 25. Oktober, 2. November 1967, Veröffentlicht: 9. November 1967, 7 Wochen, Nr. 1
Mccartney erhob nie den Anspruch, mit dem unwiderstehlich gut gelaunten „Hello, Goodbye“ den Gipfel seiner Songschreiber-Kunst erklommen zu haben. „Es ging um Gegensätze – wobei ich den positiven Pol vertrat.“ Alistair Taylor, die Assistentin von Brian Epstein, erinnert sich, wie McCartney ihr die Kunst des Songschreibens zu vermitteln versuchte:
„Er hatte dieses wundervolle, handgeschnitzte Harmonium. ,Drück irgendeine Taste‘, sagte er, ,und ich mache das Gleiche. Wann immer ich ein Wort singe, sing du das Gegenteil – und daraus mache ich dann einen Song. Black‘, fing er an, und ich sagte ,White‘. ,Yes‘ – ,No‘. ,Hello‘ – ,Goodbye‘.“ Lennon war wenig beeindruckt: „,I Am The Walrus‘ war die B-Seite von ,Hello, Goodbye‘“, sagte er ungläubig. „Kann mir das bitte irgendjemand erklären?“
Auf dem Album:„Magical Mystery Tour“
Copyright: Cummings Archives/Redferns
99. „Yes It Is“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 16. Februar 1965, Veröffentlicht: 25. März 1965, B-Seite („Ticket To Ride“)
Wie im falle fast aller frühen Songs äußerte sich Lennon auch zu „Yes It Is“ kritisch: „Ich versuchte, ,This Boy‘ neu zu schreiben, aber es funktionierte einfach nicht.“ Dabei wartet „Yes It Is“ mit den vielleicht kniffligsten Vokalsätzen aller Beatles-Songs auf. Wie „This Boy“ machten sie auch hier den Versuch, dem Geheimnis der dreistimmigen Harmonien von Smokey Robinson And The Miracles auf die Spur zu kommen …
Lennon, McCartney und Harrison brauchten diverse Takes, um die Feinabstimmungen hinzubekommen. Im Text ließ Lennon jene emotionale Offenheit erahnen, die ab 1965 seine Visitenkarte werden sollte. McCartney schätzte den Song: „Einer seiner gelungensten – und eine Ballade, was eher ungewöhnlich für ihn war. Ich habe ihm zwar geholfen, aber es war sein Song!“
Auf dem Album: „Past Masters“
Copyright: Keystone/Getty Images
98. „Long, Long, Long“
Autor: Harrison, Aufgenommen: 7. – 9. Oktober 1968, Veröffentlicht: 22. November 1968, nicht als Single veröffentlicht
Mit Zeilen wie „how i want you / how i love you / you know that I need you“ scheint „Long, Long, Long“ ein klassisches Liebeslied zu sein. Doch Harrisons Objekt der Anbetung war nicht von dieser Welt, es ging ihm um Gott. Musikalisch orientierte er seinen Song an Dylans „Sad-Eyed Lady Of The Lowlands“. Obwohl Lennon von früh an Dylan ins Herz geschlossen hatte, war Harrison der wahre Experte …
„George konnte Dylan zitieren wie andere Leute die Bibel“, sagte Tom Petty einmal dem ROLLING STONE. Kurz nach Veröffentlichung des „White Album“ fuhr Harrison nach Woodstock und verbrachte Thanksgiving mit Dylan. Dort schrieben sie den Song „I’d Have You Anytime“, das Eröffnungsstück von „All Things Must Pass“ – und der Beginn einer nachhaltigen Freundschaft werden sollte.
Auf dem Album: „The Beatles“
Copyright: Keystone Features/Getty Images
97. „All I’ve Got To Do“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 11. September 1963, Veröffentlicht: 12. November 1963, nicht als Single veröffentlicht
Smokey Robinson war ein Gott für uns“, sagte McCartney einmal. Und nirgendwo war sein Einfluss greifbarer als auf „With The Beatles“. Das Album beinhaltet nicht nur sein „You Really Got A Hold On Me“, sondern mit „Not A Second Time“ und „All I’ve Got To Do“ zwei Lennon-Songs, von denen er sagte: „Das bin ich beim Versuch, Smokey Robinson zu sein“ …
„All I’ve Got To Do“ ist definitiv einer der souligsten frühen Beatles-Originale und erinnert mit seinem klagenden Gesang ein wenig an „(You Can) Depend On Me“ von den Miracles. Robinson sollte seinen Schatten über die Beatles werfen, auch nachdem sie sich längst getrennt hatten: In den Siebzigern schrieb Harrison eine Hommage namens „Pure Smokey“, und Lennon gestand, dass er selbst zur Zeit von „Double Fantasy“ noch immer so wie dieser singen wollte.
Auf dem Album: „With The Beatles“
Copyright: Mark and Colleen Hayward/Getty Images
96. „Within You Without You“
Autor: Harrison, Aufgenommen: 15. und 22. März, 3. und 4. April 1967, Veröffentlicht: 30. Mai 1967, nicht als Single veröffentlicht
Seit er 1965 auf dem Filmset von „Help!“ eine Sitar gehört hatte, war Harrison von dem Instrument fasziniert. Doch erst als er 1966 nach Indien fuhr, um sich von Sitar-Meister Ravi Shankar einweisen zu lassen, machten seine technischen Fähigkeit substanzielle Fortschritte. Oft übte Harrison acht Stunden am Tag. „Seine Leidenschaft für die Musik“, so Shankar, „beeindruckte mich sehr.“ …
Spätestens auf „Within You Without You“ zahlte sich Harrisons Eifer aus: Unterstützt von elf Streichern und anderen indischen Instrumenten steht die Sitar im Mittelpunkt einer Betrachtung über die menschliche Spiritualität. „Bis zu meinem Lebensende“, so Harrison zum ROLLING STONE im Jahr 1968 über seine Leidenschaft, die ihn tatsächlich sein ganzes Leben begleiten sollte,„werde ich davon überzeugt sein, dass es auf unserem gegenwärtigen Bewusstseins-Level keine großartigere Musik als die indische gibt.“
Auf dem Album: „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“
Copyright: Jim Gray/Keystone/Hulton Archive/Getty Images
95. „Any Time At All“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 2. Juni 1964, Veröffentlicht: 6. Juli 1964, nicht als Single veröffentlicht
„Any Time At All“ ist der akustische Beleg, dass die Beatles bei Buddy Holly gelernt hatten: das Poltern der Gitarren, die Ergebenheit im Text, die Dringlichkeit im Gesang. Es ist das Versprechen an ein Mädchen, rund um die Uhr für sie da zu sein. Die Unverblümtheit, mit der Lennon sein Angebot formuliert, hätte Holly mit Sicherheit gefallen – er selbst war kritischer: „Ich wollte bloß Variationen von ,It Won’t Be Long‘ zu schreiben.“ …
Die Beatles hatten den Track unter großem Zeitdruck aufgenommen: „Any Time At All“ wurde am letzten Tag der „A Hard Day’s Night“-Sessions eingespielt, bevor sie sich am nächsten Morgen auf eine längere Tour begaben. (Dummerweise bekam Starr just an diesem Morgen eine Mandelentzündung – zum Tourstart in Dänemark fuhr man deshalb mit einem Aushilfs-Schlagzeuger.) „Any Time At All“ greift auf einen Studio-Trick zurück, den George Martin schon in „A Hard Day’s Night“ eingesetzt hatte: Das Piano-Solo wird, wie ein Echo in den Bergen, Ton für Ton von Harrisons Gitarre wiederholt.
Auf dem Album: „A Hard Day’s Night“
Copyright: Daily Express/Archive Photos/Getty Images
94. „You Won’t See Me“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 11. November 1965, Veröffentlicht: 7. Dezember 1965, nicht als Single veröffentlicht
In der Nacht vom 11. November 1965 standen die Beatles unter mächtigem Druck. Die Deadline für „Rubber Soul“ rückte immer näher: Noch in der Nacht mussten sie drei Tracks aufnehmen, um das Album termingerecht abzuliefern. Obendrein hatte McCartney Ärger mit seiner Freundin Jane Asher. Er war sauer, weil die Schauspielerin nach Bristol gezogen war, um sich dort dem „Old Vic Theatre“ anzuschließen …
McCartney komprimierte seinen angestauten Ärger in „You Won’t See Me“ und schrieb bittere Zeilen wie: „Time after time, you refuse to even listen/I wouldn’t mind If I knew what I was missing“. Auch wenn der Text zickig war, so marschierte die Musik doch munter nach vorne, nicht zuletzt dank der Melodie und der Basslinie, die sich respektvoll vor den Four Tops und Hits wie „I Can’t Help Myself“ verneigten. „Der Song hatte definitiv eine Motown-Stimmung“, sagte McCartney, „ein James- Jamerson-Gefühl.“ Die Beatles waren so in Eile, dass sie den Song in zwei Takes abhakten.
Auf dem Album: „Rubber Soul“
Copyright: Michael Ochs Archives/Getty Images
93. „Sexy Sadie“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 19. und 24. Juli, 13. und 21. August 1968, Veröffentlicht: 22. November 1968, nicht als Single veröffentlicht
Nachdem er gehört hatte, dass Maharishi Mahesh Yogi weiblichen Studenten sexuelle Avancen gemacht habe, packte Lennon umgehend seine Koffer. Während er auf ein Auto wartete, das ihn in Rishikesh abholen sollte, schrieb Lennon einen Song, der einer vernichtenden Abrechnung gleich kam. Er erzählte später, dass der Maharishi gefragt habe, warum er den Ashram verließ – woraufhin er geantwortet habe: „Wenn du so allwissend bist, wirst du den Grund schon kennen.“ …
Die ursprüngliche Version war erheblich bösartiger: „You little twat/ Who the fuck do you think you are?“ Auf Harrisons Drängen änderte er den Songtitel dann in „Sexy Sadie“. Die anderen Beatles waren in ihrer Distanzierung nicht annähernd so aggressiv. „Johns Reaktion auf diese Sexgeschichte ist komisch“, sagte McCartney. „Sie kommt mir fast prüde vor.“ Harrison nahm den Vorfall in Rishikesh noch gelassener: „Es waren eine Menge Verrückter vor Ort. Und einige davon waren wir.“
Auf dem Album: „The Beatles“
Copyright: Gamma-Keystone/Getty Images
92. „Dig A Pony“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 22., 24., 28. und 30. Januar, 5. Februar 1969, Veröffentlicht: 8. Mai 1970, nicht als Single veröffentlicht
Das lustige lyrische Durcheinander wurde beim Auftritt auf dem Dach in der Savile Row aufgezeichnet – ein Assistent musste Lennon einen Zettel mit dem Text vor die Nase halten. „I roll a stoney/ Well, you can imitate everyone you know“, hört man ihn singen. Es war vielleicht nur Nonsens oder eine Lockerungsübung, vielleicht ging es aber auch um ihre britischen Erzrivalen, die Rolling Stones …
Lennon und McCartney hatten 1963 „I Wanna Be Your Man“ für die Stones geschrieben (Lennon bemerkte später trocken, dass „wir natürlich nicht vorhatten, ihnen etwas Besonderes“ zu geben), In einem Interview mit dem ROLLING STONE 1970 traten seine Ressentiments deutlich hervor: „Ich möchte mal eine Aufstellung darüber schreiben, was wir veröffentlichten – und was die Stones zwei Monate später auf jedem ihrer verdammten Alben machten. Was immer wir anstellten: Mick Jagger kopierte es. Sie spielen musikalisch einfach nicht in der gleichen Liga wie wir, weder musikalisch noch vom Einfluss her.“
Auf dem Album: „Let It Be“
Copyright: SSPL/Getty Images
91. „Every Little Thing“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 29. und 30. September 1964, Veröffentlicht: 13. November 1964, nicht als Single veröffentlicht
Die schwärmerischen, wenn auch etwas selbstverliebten Lyrics von „Every Little Thing“ feierten Jane Asher, McCartneys Freundin. McCartney schrieb den Song, als er sich mit Asher und ihrer Familie in London aufhielt; zusammen mit Lennon wurde auf Tournee in Atlantic City Hand an die letzten Details gelegt. McCartney sollte später zu Protokoll geben, dass der Song „very catchy“ sei, aber nicht unbedingt das, was er sich vorgestellt hatte. „Wie bei den meisten Songs war es mein Versuch, die nächste Single zu schreiben. Aber am Ende wurde es nur ein Albumfüller.“ …
Die Aufnahme erstreckte sich über zwei Tage und neun Takes – inklusive einer Version, die in schallendem Gelächter endet. Die endgültige Version stellte einige Gewohnheiten innerhalb der Band auf den Kopf: Der hauptverantwortliche Songschreiber ist nicht mehr automatisch der Lead-Sänger – Lennons Stimme steht im Vordergrund. Und Starr verließ sein angestammtes Drum-Set, um beim Refrain mächtig auf die Pauke zu hauen.
Auf dem Album: „Beatles For Sale“
Copyright: Gamma-Keystone/Getty Images
90. „The Long And Winding Road“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 26. und 31. Januar 1969, 1. April 1970, Veröffentlicht: 8. Mai 1970, 3 Wochen, Nr. 26
McCartney schrieb den Song, als ihm bewusst wurde, dass die Beatles unwiderruflich auseinanderdrifteten. Anfang 1969 trieben kreative und finanzielle Differenzen einen Keil zwischen die Bandmitglieder. Lennon hatte den anderen bereits angekündigt, aus der Band auszusteigen zu wollen; Starr hatte sich zwischenzeitlich bereits verabschiedet – und auch Harrison und McCartney waren für Wochen verschwunden …
„Es ist ein trauriger Song“, so McCartney, „weil er von den unerreichbaren Dingen im Leben handelt. Ich stand zu der damaligen Zeit etwas neben mir.“ Später gab es für McCartney noch ein böses Erwachen: Lennon hatte die Bänder Phil Spector gegeben, der auch diesen Track überarbeitete und mit Streichern sowie einem Chor ergänzte. „Es war für Paul ein Schlag ins Gesicht“, erinnert sich Geoff Emerick. Kurz darauf veröffentlichte McCartney sein Solo-Album und informierte die Welt, dass das Kapitel Beatles abgeschlossen sei.
Auf dem Album: „Let It Be“
Copyright: Evening Standard/Getty Images
89. „Good Day Sunshine“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 8. und 9. Juni 1966 Veröffentlicht: 28. Juli 1966, nicht als Single veröffentlicht
„Good Day Sunshine“, geschrieben an einem heißen Sommertag, war McCartneys Versuch, den Lovin’ Spoonful nachzueifern und einen altmodischen, sonnigen Sommer-Hit wie „Daydream“ zu schreiben – „was damals unser liebstes Lied von ihnen war“. Der Song profitierte von einem der cleveren Studiotricks, mit denen George Martin die Band manchmal überraschte: Er nahm verschiedene Songteile in verschiedenen Geschwindigkeiten auf …
Während McCartney die Pianoakkorde spielt, stammt das verlangsamte Honky-Tonk-Solo, das sich nach dem verkürzten zweiten Vers anschließt, von Martin selbst. Das Resultat ist ein schwungvolles Intermezzo, das organisch klingt, obwohl es erst durch eine technische Spielerei ermöglicht wurde. Martins Verständnis der Aufnahmetechnik – sich stets der Musik unterzuordnen und auf hohle Gimmicks zu verzichten – sollte mit Abstand sein wichtigster Beitrag zu „Revolver“ sein. „Dafür, dass er ein Erwachsener war“, so McCartney, „war George Martin erstaunlich abenteuerlustig.“
Auf dem Album: „Revolver“
Copyright: Hulton Archive/Getty Images
88. „Rain“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 14. und 16. April 1966, Veröffentlicht: 23. Mai 1966, B-Seite („Paperback Writer“)
Ein dezidiertes Thema hatte der Lennon-Song nicht: „Die Leute jammern und stöhnen immer, weil … ihnen das Wetter auf den Geist geht“, gab Lennon zu Protokoll. Immerhin war die Aufnahme, drei Monate vor „Revolver“ als B-Seite von „Paperback Writer“ veröffentlicht, der erste Versuch der Beatles, ihre Erfahrungen mit LSD in die Aufnahmen einfließen zu lassen. Es gibt jede Menge irritierender Sounds – vom scheinbar schmelzenden Harmoniegesang bis zu Starrs verwirrenden Beats –, und es gibt das raunende Versprechen, dass es hinter der Realität noch eine andere Wirklichkeit gibt:
„I can show you“, singt Lennon, „can you hear me?“ Der surrealste Effekt aber basierte auf einem Zufall: Lennon hatte einen Roh-Mix mit nach Hause genommen, das Band aber – voll zugeknallt – verkehrtherum in sein Tonbandgerät eingelegt. Er war begeistert, als er plötzlich seine Stimme rückwärts hörte – so begeistert, dass er darauf bestand, dieses Element im Fade-Out des Songs einzubauen. „Von diesem Tag an“, schreibt Toningenieur Geoff Emerick, „musste praktisch jeder Overdub auf ‚Revolver‘ sowohl vorwärts als auch rückwärts angehört werden.“
Auf dem Album: „Past Masters“
Copyright: K & K Ulf Kruger OHG/Redferns
87. „Love Me Do“
Autor: McCartney-Lennon, Aufgenommen: 11. September 1962, Veröffentlicht: 28. Februar 1963, keine Chartplatzierung
Auf ihrer Debütsingle landete einer der ersten Songs, die Lennon und McCartney gemeinsam geschrieben hatten. 1958 waren sie noch Teenager, träumten von Ruhm und Reichtum und kritzelten Songs in ihre Schulhefte, vergaßen dabei aber nie, „Another Lennon-McCartney Original“ oben auf die Seite zu schreiben. „Love Me Do“ wurde im Oktober 1962 in England veröffentlicht (mit „P.S. I Love You“ auf der Rückseite) und landete in den Charts auf Platz 17 …
Als die Single im April 1964 endlich in den USA erschien, war die Beatlemania bereits in vollem Gange – und „Love Me Do“ marschierte zielstrebig an die Spitze der Charts. Die Beatles nahmen den Song mit Drummer Pete Best auf, als George Martin sie in der Abbey Road erstmals unter die Lupe nahm. Nachdem Best durch Starr ersetzt worden war, ließ Martin sie eine zweite Version einspielen – und sogar eine dritte mit einem Studio-Drummer, weil er von Starrs Talenten nicht überzeugt war. „Ringo wird mir das nie im Leben vergeben“, sagte Martin lachend.
Auf den Alben: „Past Masters“ und „Please Please Me“
Copyright: Harry Hammond/V&A Images/Getty Images
86. „Lady Madonna“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 3. und 6. Februar 1968, Veröffentlicht: 27. Februar 1968, 6 Wochen, Nr. 2
Mit „Lady Madonna“ verneigte sich McCartney einmal mehr vor der prototypischen Frau und Mutter aus der Arbeiterklasse und würzte seine Lyrics erneut mit einem Schuss irisch-katholischer Symbolik. „,Lady Madonna‘ war zunächst Virgin Mary“, so McCartney, „dann war es eine anonyme Frau aus der Arbeiterklasse, von denen es in Liverpool bekanntlich Millionen gibt:Aufgrund der engen Beziehung zu Irland ist der Katholizismus in Liverpool nun mal weit verbreitet.“ …
Die Madonna des Songs ist eine leidgeprüfte, doch unerschütterliche Matriarchin – so zäh wie die Protagonistin aus „Eleanor Rigby“, so fürsorglich wie Mother Mary aus „Let It Be“. Was die Musik betrifft, so kam die Inspiration diesmal aus einer weitaus weltlicheren Quelle, nämlich von Fats Domino und seinem Piano-Boogie aus New Orleans. Die Aufnahme, die McCartney „seine Fats-Domino-Impression“ nannte, ist eine tiefe Verneigung vor dem R&B aus New Orleans.
Auf dem Album: „Past Masters“
Copyright: Daily Express/Archive Photos/Getty Images
85. „Back In The USSR“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 22. und 23. August 1968, Veröffentlicht: 22. November 1968, nicht als Single veröffentlicht
Bei dem Opener des „Weißen Album“ half einer der amerikanischen Rockstars mit, die der Song eigentlich auf den Arm nahm: Im Februar 1968 spielte McCartney seine Parodie auf Chuck Berrys „Back In The USA“ dem Beach Boy Mike Love vor, der sich ebenfalls in Maharishis Ashram in Indien befand. Love schlug eine „California Girls“-ähnliche Passage vor, in der entsprechend die Qualitäten sowjetischer Mädchen gerühmt werden sollten …
Als man am 22. August den Song im Studio umsetzen wollte, lagen sich die Beatles allerdings bereits in den Haaren. Als McCartney Starrs Schlagzeugspiel kritisierte, gab der kurzerhand den Austritt aus der Band bekannt, stampfte hinaus und fuhr zum Urlaub ans Mittelmeer. Die verbleibenden Beatles arbeiteten weiter: McCartney setzte sich ans Schlagzeug, Lennon bediente den sechssaitigen Bass – und am nächsten Tag rundete man den Song mit etwas Düsenlärm aus dem Soundarchiv ab. Als Ringo zwei Wochen später zurückkehrte, lag auf seinem Schlagzeug ein Strauß Blumen.
Auf dem Album: „The Beatles“
Copyright: Gamma-Keystone/Getty Images
84. „Across The Universe“
Autor: Lennon | Aufgenommen: 4. und 8. Februar 1968 Veröffentlicht: 8. Mai 1970, nicht als Single veröffentlicht
Die Worte zu „Across The Universe“ seien ihm „in den Schoß gefallen“, so Lennon. „Sie gehören mir nicht. Sie flossen einfach durch mich.“ Der Song ist eine Hymne auf das kosmische Bewusstsein und beschreibt mit philosophischer Gelassenheit „pools of sorrow, waves of joy are drifting through my opened mind“. Im Refrain wird Guru Dev genannt, der Lehrer von Maharishi Mahesh Yogi. „Es ist einer der besten Texte, die ich geschrieben habe“, sagte Lennon dem ROLLING STONE. „Vielleicht sogar der beste. Es ist einfach gelungene Poesie oder wie immer man das nennen mag.“ …
Mit der Aufnahme, die man ursprünglich für das „Weiße Album“ eingeplant hatte, war Lennon hingegen weit weniger glücklich. Toningenieur Geoff Emerick erinnert sich, dass „eine Aufnahme nach der anderen gemacht wurde. Es war einfach nicht das, was John in seinem Kopf hörte“. Der Song blieb liegen, bis ihn Produzent Phil Spector für „Let It Be“ neu bearbeitete: Er fügte Chor und Orchester hinzu. „Spector nahm sich das Tape“, so Lennon, „und machte einen verdammt guten Job.“
Auf den Alben: „Past Masters“ und „Let It Be“
Copyright: Gamma-Keystone/Getty Images
83. „I’m So Tired“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 8. Oktober 1968, Veröffentlicht: 22. November 1968, nicht als Single veröffentlicht
Lennon schrieb den Song, als er sich bei Maharishi Mahesh Yogi in Indien aufhielt. Da im Ashram Alkohol, Drogen und Zigaretten verboten waren, vertiefte sich Lennon tagsüber in die Meditation, während er sich nachts schlaflos im Bett wälzte und an Yoko Ono dachte (die er ursprünglich nach Indien mitnehmen wollte, obwohl auch seine Frau Cynthia anwesend war). „I’m So Tired“ dokumentiert Lennons emotionale Verunsicherung. Er war ein offener Brief an Yoko, deren Lebenszeichen aus London er als einen rettenden Anker empfand …
„Ich fing an, in ihr eine richtige Frau zu sehen – und nicht nur eine intelligente Frau“, sagte er. Der Track auf dem „Weißen Album“ sollte eine von Lennons liebsten Beatles-Aufnahmen werden. McCartney mochte den Song ebenfalls: Auf einer der „Let It Be“-Sessions 1969 spielten die Beatles eine spontane, nicht ganz ernstgemeinte Version des Songs ein, bei der McCartney die Lead-Vocals übernahm – auch wenn ihm wohl bewusst war, dass „I’m So Tired“ „definitiv Johns Kommentar zu dieser Welt“ war.
Auf dem Album: „The Beatles“
Copyright: Jim Gray/Keystone/Getty Images
82. „She’s Leaving Home“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 17. und 20. März 1967, Veröffentlicht: 30. Mai 1967, nicht als Single veröffentlicht
Die Vorlage des Songs war ein Artikel über eine gutsituierte 17-Jährige namens Melanie Coe, die plötzlich aus dem Haus ihrer Eltern in London verschwand. Während McCartney aus der Sicht des Teenagers sang, übernahm Lennon den Part der leidgeprüften Eltern. McCartney war so versessen darauf, den Song umgehend einzuspielen, dass er nicht auf George Martin warten mochte, sondern für die Streicher den Arrangeur Mike Leander engagierte …
„Ich war überrascht und auch verletzt“, erinnerte sich Martin später. „Aber Paul ist eben Paul.“ Die wirkliche Melanie Coe kehrte zu ihren Eltern zurück: Sie war schwanger gewesen und hatte heimlich eine Abtreibung vorgenommen. Das Mädchen im Song indes stand für all die Teenager, die – frustriert vom kleinbürgerlichen Leben in den Sechzigern – Reißaus nehmen wollten. Im April 1967 besuchte McCartney Brian Wilson und dessen Frau, um ihnen „She’s Leaving Home“ vorzuspielen. „Es war einfach wundervoll“, so Wilson.
Auf dem Album: „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“
Copyright: Ian Tyas/Getty Images
81. „Hey Bulldog“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 11. Februar 1968, Veröffentlicht: 21. Januar 1969, nicht als Single veröffentlicht
Was als Schnapsidee begann, war am Ende so „heavy“ wie kaum eine andere Beatles-Nummer. Da sie sich eh in Abbey Road treffen mussten, um ein Promo-Video für „Lady Madonna“ aufzunehmen, entschloss man sich, schnell die noch fehlende Nummer für „Yellow Submarine“ rauszuhauen. „Paul meinte, wir sollten live im Studio etwas aufnehmen“, so Lennon, „und fragte mich: ,Hast du was auf Lager?‘ Ich hatte zu Hause ein paar Zeilen, also brachte ich sie mit.“ …
Ein paar Tage zuvor war McCartney mit Paul Jones im Studio gewesen, um Drums auf einem Song namens „The Dog Presides“ zu spielen, in dem auch echtes Hundegebell zu hören war. Und so geschah es, dass Lennon und McCartney plötzlich um die Wette bellten und knurrten – und den Song auf den Namen „Hey Bulldog“ tauften. Harrison benutzte eine Fuzz-Box, drehte seinen Verstärker voll auf und schleuderte ein besonders bösartiges Solo heraus. „Ich half John dabei, die Nummer in trockene Tücher zu bringen“, so McCartney. Lennon nannte die Nummer „a good-sounding record that means nothing“.
Auf dem Album: „Yellow Submarine“
Copyright: Gamma-Keystone/Getty Images
„Als Linda und ich zusammenkamen“, sagte er, „stellten wir fest, dass wir beide eine tiefe Liebe zur Natur hatten.“ Als McCartney den Song aufnahm, waren die Sessions zum „Weißen Album“ bereits zu parallel laufenden Solo-Projekten degeneriert. „Mother Nature’s Son“ ist einer von vier Tracks auf diesem Album, die McCartney im Alleingang aufnahm. Am 9. August, nachdem die Band nach Hause gegangen war, spielte er den Basic-Track ein, um sich dann elf Tage später noch ans Schlagzeug zu setzen und eine Bläsergruppe zu dirigieren.
Auf dem Album: „The Beatles“
Copyright: Stroud/Express/Getty Images
79. „I’ll Follow The Sun“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 14. Oktober 1964, Veröffentlicht: 13. November 1964, nicht als Single veröffentlicht
Als sie den Tack für „Beatles For Sale“ aufnahmen, war die Nummer bereits ein Oldie: McCartney hatte den Song schon als Teenager geschrieben und mit Lennon und Harrison auch gespielt, als sie noch unter dem Namen „Quarry Men“ auftraten. Die Beatles gruben ihn jedoch erst wieder aus, als ihnen das Material für anstehende Aufnahme-Sessions ausging. Ein Grund für ihre Zurückhaltung war sicher der, dass ihnen der Song zur Zeit ihrer Leder-Rocker-Phase einfach zu zahm war …
Als sie ihn dann endlich aufnahmen, war aus dem Rockabilly-Shuffle sogar ein Cha-Cha geworden. „Die nächste Single musste immer anders sein“, sagte McCartney. „Wir wollten nicht den selben Fehler wie die Supremes begehen, deren Singles alle gleich klangen. Deshalb suchten wir ständig nach neuen Instrumenten. Ringo konnte nun mal nicht ständig sein Drum-Kit umbauen, aber er konnte zumindest die Snare auswechseln, auf einem Pappkarton spielen oder die Hände auf seine Knie schlagen.“
Auf dem Album: „Beatles For Sale“
Copyright: Mark and Colleen Hayward/Getty Images
78. „And Your Bird Can Sing“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 20. und 26. April 1966, Veröffentlicht: 28. Juli 1966, nicht als Single veröffentlicht
Als sie den Song zum ersten mal auf-nahmen, klang er so ingeniös wie der Versuch einer x-beliebigen Band, „Eight Miles High“ von den Byrds mit einer Turbo-Folk-Rock-Version zu übertreffen. Sechs Tage später warfen sie die erste Version in den Papierkorb und verbrachten zwölf Stunden damit, den Song neu zu konstruieren. Die doppelte Lead-Gitarre, von Harrison und McCartney gespielt, wurde deutlich gestrafft und in den Mittelpunkt des Songs gestellt …
Lennon beschrieb „And Your Bird Can Sing“ später als ein „Abfallprodukt“. Die Zeile „You say you’ve seen seven wonders“ verweist allerdings auf einen historischen Augenblick: die Nacht, in der die Beatles mit Bob Dylan zum ersten Mal Pot rauchten. Die Erfahrung war so signifikant, dass ein bekiffter McCartney aufgeregt verkündete, dass er gerade das Wesen des Universums entschlüsselt habe: „Es sind sieben verschiedene Ebenen!“
Auf dem Album: „Revolver“
Copyright: Cummings Archives/Redferns
77. „Because“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 1., 4. und 5. August 1969, Veröffentlicht: 26. September 1969, nicht als Single veröffentlicht
Lennon schrieb diese träumerische Melodie, nachdem Yoko Ono auf ihrem gemeinsamen Piano Beethovens Mondschein-Sonate gespielt hatte. Er bat sie, einmal die Akkorde rückwärts zu spielen – und nutzte die Harmoniefolgen dann für seinen Song. McCartney vermutete, dass Yoko auch am Schreiben des Textes beteiligt war: „Es waren Worte, die sie gerne benutze – ,wind, sky‘ und ,earth‘ tauchen wiederholt auf. John war damals erheblich von ihr beeinflusst.“ …
George Martin hatte eine neunstimmige Harmonie vorbereitet, aber da nur fünf Spuren für die Vokalaufnahmen zur Verfügung standen, sangen Lennon, McCartney und Harrison eine dreistimmige Harmonie live ein – und legten die anderen Harmonien dann mit zwei Overdubs darüber. Umfangreiche Proben und fünf Stunden konzentrierte Aufnahmen waren notwendig, das Ergebnis aber war atemberaubend: „Because“ war ein voluminöser, komplexer Tagtraum, den McCartney und Harrison als ihren liebsten Track auf „Abbey Road“ bezeichneten.
Auf dem Album: „Abbey Road“
Copyright: Express/Express/Getty Images
76. „Yer Blues“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 13., 14. und 20. August 1968, Veröffentlicht: 22. November 1968, nicht als Single veröffentlicht
Lennon hatte den Blues, als er in Indien beim Maharishi hockte. Selbstmord-Gedanken seien ihm durch den Kopf gegangen, sagte er später, und die Suche nach dem vermaledeiten kosmischen Bewusstsein habe ihn so kirre gemacht, dass er sich wie Mr. Jones in Dylans „Ballad Of A Thin Man“ fühlte. Lennon verarbeitete seinen Weltschmerz in einem seiner mitreißendsten Liedern …
Um die Atmosphäre ihrer frühen Jahre zu reanimieren, steckte Lennon die Band in eine bessere Besenkammer, wo sie Schulter an Schulter den Basic-Track aufnahmen. Einige Wochen nach der Veröffentlichung auf dem „Weißen Album“ spielte Lennon „Yer Blues“ einmal mit den Dirty Mac (Eric Clapton, Keith Richards, Mitch Mitchell) – jener „Supergroup“, die nur für den einmaligen Auftritt beim „Rock’n’Roll Circus“ der Rolling Stones zusammengestellt worden war. Es sollte auch der einzige Beatles-Song sein, den er ein Jahr später beim Toronto-Gig der Plastic Ono Band ins Programm nahm.
Auf dem Album: „The Beatles“
Copyright: Jim Gray/Keystone/Getty Images
75. „Think For Yourself“
Autor: Harrison, Aufgenommen: 8. November 1965, Veröffentlicht: 7. Dezember 1965, nicht als Single veröffentlicht
Im Herbst 1965 standen die Beatles unter dem Druck, rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft ihr neues Album „Rubber Soul“ einzuspielen. Weil geeignetes Material knapp war, machte man einen Versuch mit einem neuen Harrison-Song, der ursprünglich „Won’t Be There With You“ hieß. Der Basic-Track wurde in nur einem Take eingespielt und war gerade einmal 2 Minuten 19 lang. Es war offensichtlich eine Aufnahme, in die die Band nicht allzu viel Grübelei investieren wollte …
Lennon verpatzte ein ums andere Mal seine Vocals, und das ständige Kichern, vermutlich ausgelöst durch einen kreisenden Joint, trug auch nicht gerade zum konzentrierten Arbeiten bei. Dem Song sollte es allerdings nicht schaden: Von McCartneys fuzzigem Bass bis zu Starrs galoppierenden Drums lebt „Think For Yourself“ von einem unbändigen Garagen-Band-Drive. Und wer war die Person, auf die Harrison so wütend war? Nicht mal er selbst war sich noch sicher. „Nach all diesen Jahren“ schrieb er 1980, „kann ich mich nicht mehr erinnern, wer den Song auslöste. Vermutlich die Regierung.“
Auf dem Album: „Rubber Soul“
Copyright: Michael Ochs Archives/Getty Images
74. „Yellow Submarine“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 26. Mai und 1. Juni 1966, Veröffentlicht: 28. Juli 1966, 7 Wochen, Nr. 1
Der Beatles liebster Lausbubensong wurde geschrieben für Ringo. „Ich dachte mir“, so McCartney, „da Ringo so toll mit Kindern umgehen konnte, wäre es vielleicht nicht die dümmste Idee, ihn gleich ein Kinderlied singen zu lassen.“ Noch heute bleibt „Yellow Submarine“ mit seinem süffigen Singalong die Einstiegsdroge für Kinder, die auf diesem Wege die Beatles kennenlernen. Der Song lieferte die Idee für den gleichnamigen Zeichentrickfilm von 1968 als auch für „Octopus Garden“, die inoffizielle Fortsetzung, die später auf „Abbey Road“ landete …
George Martin, früher Produzent von Comedy-Platten wie „The Goon Show“, konnte aus seinen Erfahrungen schöpfen: Er zauberte eine ganze Palette von Soundeffekten herbei, um eine Unterwasser-Atmosphäre zu generieren. Lennon blies ins Wasser und gab zusammen mit McCartney Befehle an die imaginäre U-Boot-Besatzung. Mit Marianne Faithfull und Brian Jones wurden sogar ein paar Freunde ins Studio geladen, um mitzuhelfen.
Auf dem Album: „Revolver“
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73. „Everybody’s Got Something To Hide Except For Me And My Monkey“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 27. Juni, 1. und 23. Juli 1968, Veröffentlicht: 22. November 1968, nicht als Single veröffentlicht
Hinter dieser Detonation aus explodierenden Gitarren und herausgebellten Vocals versteckt sich laut Lennon eigentlich ein Song über Yoko. „Alle außer uns beiden schienen paranoid zu sein. Wir sonnten uns im Glanz der Liebe. Aber alle anderen waren furchtbar verkrampft – wie: ,Was hat sie bloß hier im Studio zu suchen?‘“ …
McCartney hegte die Vermutung, dass der Song eigentlich Heroin thematisierte: „John fing an, von einem ,Fix‘ oder einem ,Affen‘ zu reden. Es war eine Terminologie, mit der sich der Rest der Band überhaupt nicht anfreunden konnte.“ Lennon behauptete allerdings: „Es waren die Beatles und ihre Freunde, die uns zum Heroin brachten.“
Auf dem Album: „The Beatles“
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72. „From Me To You“
Autor: Lennon/McCartney, Aufgenommen: 5. März 1963, Veröffentlicht: 8. April 1963, keine Chartplatzierung
„Ich fragte sie nach einem Song, der so gut wie ,Please Please Me‘ sei – und sie brachten mir einen: ,From Me To You‘“, so George Martin. „Sie schienen an einer nie versiegenden Quelle für wunderbare Songs zu sitzen.“ Martin war nicht der einzige, der den Song liebte. Del Shannon, mit dem sie im April 1963 gemeinsam auf Tour waren, hörte den Song, nahm ihn umgehend auf – und bescherte Lennon und McCartney ihre erste Platzierung in den amerikanischen Top 100 …
(Lennon hatte gegen die Veröffentlichung allerdings noch Bedenken angemeldet: Er befürchtete, dass ihre Chancen auf einen Durchbruch im amerikanischen Markt dadurch gemindert würden.) Auf „From Me To You“ spielt Lennon eine Jimmy-Reed-inspirierte Mundharmonika. „Es steht inzwischen ja in den Geschichtsbüchern“, erklärte Delbert McClinton später, „dass ich John gezeigt habe, wie man Mundharmonika spielt. John sagte mir: ,Bring mir was bei!‘ Ich war ziemlich konkurrenzlos damals, weil es nicht allzu viele Leute in der Popmusik gab, die Mundharmonika spielten.“
Auf dem Album: „Past Masters“
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71. „I’m A Loser“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 14. August 1964, Veröffentlicht: 13. November 1964, B-Seite („Rock’n’Roll Music“)
Als er sich 1980 im Rückblick noch einmal zu „I’m A Loser“ äußerte, meinte Lennon: „Ein Teil von mir hat den Verdacht, dass ich ein Verlierer bin, der andere Teil glaubt, ich sei Gott höchstpersönlich.“ Countrymusik und Bob Dylan waren die Katalysatoren dieses Songs: Das Country-Element findet sich im Fingerpicking, im Gitarren-Twang und im desperaten Tonfall des Textes. 1964 hörten die Beatles viel Buck Owens und George Jones, die – so McCartney – eigentlich „nur über todtraurige Sachen“ sangen …
Die Prise Dylan hört man in Lennons Gesang, dem Einsatz der Mundharmonika – und der Verwendung des Wortes „clown“: Lennon hatte das Wort bislang als zu kunstbeflissen abgelehnt, änderte aber seine Meinung, nachdem auch Dylan es einsetzte. Die Handschrift der Beatles war dennoch unübersehbar: in den überschäumenden Vokal-Harmonien des Intros, in einer Melodie, die urplötzlich zu seinem Sturzflug ansetzt, in Harrisons Carl-Perkins-Vignetten und in Lennons psychologischer Scharfsinnigkeit: „Is it for her or myself that I cry?“
Auf dem Album: „Beatles For Sale“
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70. „You Can’t Do That“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 25. Februar 1964, Veröffentlicht: 9. März 1964, B-Seite („Can’t Buy Me Love)
Vier tage nach der Rückkehr von ihrer triumphalen ersten US-Tournee waren die Beatles bereits wieder im Studio, um die Nachfrage nach frischem Material zu befriedigen. (Es war gleichzeitig auch Harrisons 21. Geburtstag, obwohl er kaum die Zeit gefunden haben dürfte, die 30.000 Geburtstagskarten zu beantworten, die für ihn eingegangen waren.) Auf dem Produktions-Schedule stand ein neuer Lennon-Song, der seine Liebe für kantigen amerikanischen R&B dokumentiert …
Auf „You Can’t Do That“ feierte ein neues Instrument Premiere, das Harrison kurz zuvor in New York gekauft hatte: eine 12-saitige Rickenbacker 360/12 – das zweite Exemplar, das überhaupt produziert wurde. Der unverkennbare Sound sollte in den nächsten Jahren den Stil der Beatles ausmachen. Die Lead-Gitarre auf „You Can’t Do That“ allerdings stammte von Lennon. „Ich habe immer meinen ganz eigenen Stil gehabt“, so Lennon „aber ich stand stets im Schatten. Ich bin der unsichtbare Gitarrist.“
Auf dem Album: „A Hard Day’s Night“
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69. „Julia“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 13. Oktober 1968, Veröffentlicht: 22. November 1968, nicht als Single veröffentlicht
Julia Lennon hatte das musikalische Talent ihres Sohnes gefördert und ihm seine erste Gitarre geschenkt. Doch nachdem sie sich von Johns Vater getrennt hatte, gründete sie mit einem anderen Mann eine neue Familie und gab ihren Sohn in die Obhut von Schwester Mimi. Obwohl sie nur wenige Kilometer entfernt wohnte, sollte sie sich in den kommenden Jahren nur noch selten um ihren Sohn kümmern. John war 17 Jahre alt und hatte längst ein entspannteres Verhältnis zu seiner Mutter, als sie von einem Auto angefahren und getötet wurde …
„Ich habe sie zwei Mal verloren“, sagte Lennon. „Einmal als Fünfjähriger, als ich zu meiner Tante geschickt wurde. Und dann nochmal, als sie starb.“ „Julia“ ist Lennons einzige Solo-Aufnahme im gesamten Beatles-Katalog und wurde als letzte Nummer für das „White Album“ eingespielt. Auf dem Demo war McCartney noch mit Vocals vertreten, aber die finale Version beinhaltet nur Johns Stimme und Gitarre. „Julia war nun mal meine Mutter“, sagte Lennon, „auch wenn in dem Song Yoko und meine Mutter miteinander verschwimmen.“
Auf dem Album: „The Beatles“
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68. „Baby, You’re A Rich Man“
Autor: Lennon/McCartney, Aufgenommen: 11. Mai 1967, Veröffentlicht: 30. Juni 1967, B-Seite („All You Need Is Love“)
Der Songtitel kam von McCartney, doch die Thematik ist klassischer Lennon. Der selbst ernannte Working Class Hero liebte nichts mehr, als der betuchten Gesellschaft auf die Füße zu treten. „Der Punkt war: Hör auf zu jammern – du bist ein reicher Mann.“ Aber wenn er sang: „How does it feel to be one of the beautiful people?“, redete er mit sich selbst …
Die Beatles nahmen als Grundgerüst zunächst Piano, Bass und klatschende Hände auf. Den kreischenden Sound erzeugte Lennon auf einer Clavioline, einem Vorläufer des Synthesizers. Mick Jagger war als Gast bei der Session zugegen und half möglicherweise bei den Background-Vocals aus. „Baby, You’re A Rich Man“ spiegelt die spielerische Stimmung im Sommer 1967 wieder – eine Stimmung, die sich bei den Beatles deutlicher niederschlug als bei anderen Bands.
Auf dem Album: „Magical Mystery Tour“
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67. „Oh! Darling“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 20. und 26. April, 17., 18. und 22. Juli, 11. August 1969, Veröffentlicht: 26. September 1969, nicht als Single veröffentlicht
Harrison beschrieb diesen doo-wop-lastigen Rocker als „einen Song, der auch aus dem Jahr 1955 hätte stammen können. Wir sangen im Background ein paar zarte Ooh-Oohs, aber hauptsächlich ist es Paul, der alles aus seinen Stimmbändern herausholt“. Die orgiastischen Little-Richard-Schreie, McCartneys Trademark der frühen Beatles-Jahre, ließen sich inzwischen nicht mehr beliebig reproduzieren. „Ich versuchte es jeden Morgen, wenn ich ins Studio kam“, so McCartney …
„Ich versuchte es mit einem Hand- sowie einem Ständermikro. Ich versuchte es in allen erdenklichen Variationen und bekam die Vocals schließlich so hin, dass ich einigermaßen zufrieden damit war.“ Ton-Ingenieur Geoff Emerick erinnert sich, dass McCartney seine Vocals einsang, während der Backing-Track über die Lautsprecher lief, also nicht – wie üblich – aus den Kopfhörern kam. Er wollte eine Situation simulieren, in der er live vor einem Publikum sang. Lennon mochte den Song, meinte aber, dass der Song „mehr zu meinem Stil als zu seinem“ passte.
Auf dem Album: „Abbey Road“
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66. „Nowhere Man“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 21. und 22. Oktober 1965, Veröffentlicht: 7. Dezember 1965, 5 Wochen, Nr. 3
Einer der richtungsweisenden Songs, die er in der frühen Beatles-Phase schrieb, klopfte an Lennons Tür, als er es überhaupt nicht erwartet hatte. „Die ganze Sache flutschte auf einen Schlag heraus“, sagte er 1970 dem ROLLING STONE. „Ich erinnere mich noch, dass ich durch diese paranoide Phase ging, weil ich etwas schreiben wollte, aber partout nichts herauskam. Also schaltete ich komplett ab und versuchte gar nicht mehr, einen Song schreiben zu wollen. Und schon flutschte er heraus.“ Was ihm da rausrutschte, war ein Dokument der Langeweile und Frustration, die das hermetisch abgeschirmte Leben als Beatle bei ihm ausgelöst hatte …
Die Beschreibung eines Mannes, der „making all his nowhere plans for nobody“ und „knows not where he’s going to“ war, wie Lennon zugab, „vermutlich die Beschreibung meiner eigenen Person“. Der Überdruss in Lennons Stimme wie auch die müde Melancholie der Melodie hielten die Band nicht davon ab, bei der Umsetzung im Studio nach frischen Sounds zu suchen. Lennon, McCartney und Harrison schichteten opulente Harmonien aufeinander, und das wundervoll sparsame Solo – von Lennon und Harrison unisono auf der Stratocaster gespielt – schnitt wie eine Machete durch die Langeweile und Apathie. „,Nowhere Man‘ ist ein wundervoller Popsong mit einem wegweisenden, existenziellen Text“, befand Billy Corgan, der das Stück mit den Smashing Pumpkins coverte. „Er bietet dir die Möglichkeit, ihn für dich selbst zu entdecken.“
Auf dem Album: „Rubber Soul“
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65. „And I Love Her“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 25. und 27. Februar 1964, Veröffentlicht: 6. Juli 1964, keine Chartplatzierung
McCartney nannte „And I Love Her“ „meine erste Ballade, mit der ich mich beeindruckt habe“, Lennon fand, sie sei McCartneys „erstes ,Yesterday‘“. „Das ‚And‘ im Titel“, so McCartney, „war ein wichtiges Element. ,And I love her‘ kam aus dem Nirgendwo. Der Titel taucht nur einmal auf. Man hätte die Zeile auch totreiten können, aber so klang sie wie eine beiläufige Bemerkung: ,Ach, übrigens… and I love you.‘“ …
Die Beatles brauchten einige Anläufe, um die Nummer in die passende Form zu gießen. In den ersten Versuchen war sie noch ein elektrifizierter Rock-Song, doch als Starr vom Schlagzeug zu den Bongos wechselte, begann sie langsam Gestalt anzunehmen. Der heimliche Motor des Songs, sagte Tom Petty dem ROLLING STONE, war ohnehin Lennons Gitarren-Part: „Wenn man einmal erleben will, was eine brillante Rhythmus-Gitarre aus- machen kann, sollte man ,A Hard Day’s Night‘ auflegen und sich ,And I Love Her‘ anhören. Er schaffte es, eine Band wirklich in Wallung zu bringen.“
Auf dem Album: „A Hard Day’s Night“
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Es war tatsächlich ein schweres Jahr für die Beatles gewesen: Die Band und ihre gemeinsame Firma näherten sich dem Ende. Doch während der Büro-Dach-Performance von „I’ve Got A Feeling“ (die für den „Let It Be“-Film mitgeschnitten wurde) sieht und hört man eine Begeisterung, die in die – getrennte – Zukunft zu weisen scheint: Lennon und McCartney singen über ihre neuen Beziehungen mit Yoko Ono und Linda Eastman. Gleichzeitig spürt man einen Hauch von Tristesse – so als ob ihnen plötzlich bewusst würde, dass ihre besten Freunde und Kollegen ab sofort ihre eigenen Wege gehen werden.
Auf dem Album: „Let It Be“
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Wer schafft zuerst den Sprung ins kosmische Bewusstsein?“ „Dear Prudence“, das Lennon noch in Indien schrieb, war die fürsorgliche Aufforderung, „to come out and play“. Unterlegt mit klassischem Folk-Fingerpicking – das er von Donovan gelernt hatte, der sich ebenfalls in Rishikesh aufhielt – und versponnenen Kinderlied-Reimen war der Song letztlich eine rührende Erinnerung an die Unschuld der Kindheit. Auf der Aufnahme spielt McCartney die Drums, weswegen Starr verärgert aus dem Studio gestürmt und die Band – kurzzeitig – verlassen hatte.
Auf dem Album: „The Beatles“
Copyright: Andrew Maclear/Redferns
62. „Girl“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 11. November 1965, Veröffentlicht: 7. Dezember 1965, B-Seite („Michelle“)
Wie so viele Love-Songs, die die Beatles für „Rubber Soul“ schrieben, klingt auch diese scheinbar simple Ballade wie das Geständnis eines Mannes, der sich in Anwesenheit einer stärkeren, unabhängigen Frau unsicher fühlt. Doch selbst als sie ihn wie einen Clown aussehen lässt, kann er nicht anders, als seine Bewunderung und Zuneigung auszudrücken: „She promises the earth to me/ And I believe her/ After all this time, I don’t know why.“ „Als ich das als Teenager hörte“, sagte Jackson Browne dem ROLLING STONE, „traf es den Nagel auf den Kopf …
Es drückte genau das aus was ich fühlte: einerseits das brennende sexuelle Verlangen, gleichzeitig aber auch die Scham, von diesem Gefühl derart überwältigt zu werden.“ Die Inspiration für diesen Song kam von Dylan, aber Lennon legt die Latte ein Stück höher: Im Vergleich zu „Girl“ klingt „Just Like A Woman“ wie Kinderkram. Jahre später erzählte Lennon, dass das Mädchen in dem Song eine Fiktion war, ein weiblicher Archetyp, nach dem er sein Leben lang gesucht – und schließlich in Yoko Ono gefunden habe.
Auf dem Album: „Rubber Soul“
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Der Text über Einsamkeit und Unsicherheit bekam durch den Gesang eine Dringlichkeit, die verloren gegangen wäre, hätten Lennon und McCartney den Song für sich selbst geschrieben. Natürlich bauten sie aber einen Scherz ein: „,What do you see when you turn out the light? I can’t tell you but I know it’s mine‘ konnte bedeuten, dass er unter der Decke mit sich selbst spielte, aber auch eine tiefere Bedeutung haben.“
Auf dem Album: „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“
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McCartney schlug auch umgehend eine viktorianisch angehauchte Kapelle namens „Sergeant Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ vor. Um an dem Konzept des Albums keinen Zweifel zu lassen, schrieb er sofort den Titel-Track, eine psychedelische Hardrock-Nummer, die sich vor Jimi Hendrix verneigte. Zwei Tage vor der „Sgt. Pepper“-Aufnahme hatte McCartney ein Hendrix-Konzert besucht – Hendrix revanchierte sich, indem er zwei Tage nach Erscheinen des Albums seinen Auftritt mit dem Song begann.
Auf dem Album: „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“
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Lennons Lyrics waren ein Lehrstück in Minimalismus: Über weite Strecken des Songs wiederholt er nur die Zeile „I want you/ I want you so bad“. Als der Track endgültig abgemischt wurde, sagte Lennon dem ungläubigen Geoff Emerick, dass der Track mitten im Takt abgeschnitten werden solle. Das Resultat beschließt die erste Seite von „Abbey Road“.
Auf dem Album: „Abbey Road“
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58. „I’ve Just Seen A Face“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 14. Juni 1965, Veröffentlicht: 12. August 1965, nicht als Single veröffentlicht
McCartney bezeichnete den Song einmal als „merkwürdige Uptempo-Geschichte“. In der Tat gibt es im gesamten Beatles-Katalog keinen Song, der mit „I’ve Just Seen A Face“ vergleichbar ist. Nur zwei Minuten lang, beginnt die Aufnahme als Lovesong, endet aber in einem atemlosen Galopp. Die akustischen Arrangements (McCartney, Lennon und Harrison auf der Gitarre, Starr spielt Percussion) und auch der Harmoniegesang geben dem Song fast ein Bluegrass-Feeling …
Die Lyrics wirken mühelos und umgangssprachlich, beinhalten aber verschachtelte Reime, die den Song nach vorne treiben. „Die Lyrics erfüllen ihre Funktion“, so McCartney „Sie ziehen dich vorwärts zum nächsten Vers. Sie haben einen Automatismus, der mir gefiel.“ McCartney schrieb „I’ve Just Seen A Face“ für den „Help!“-Soundtrack, doch in den USA erschien der Song auf „Rubber Soul“. Capitol Records war der Meinung, dass man so das Album für Folk-Rock-Freunde attraktiver machen würde.
Auf dem Album: „Help!“
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Harrisons Solo entstand durch ein Missgeschick: Nachdem das Band falsch in die Multi-Track-Maschine eingelegt wurde, hörten die Beatles plötzlich den inzwischen bekannten verwaschenen, schlürfenden Sound. McCartney erinnerte, dass sich alle an den Kopf fassten: „Das ist fantastisch! Können wir das so spielen?“ Harrison spielte eine Melodielinie, die von indischer Musik beeinflusst war. Er bat George Martin, die Noten in umgekehrter Reihenfolge zu Papier zu bringen. Martin musste Harrison dann durch die Aufnahme leiten, was in einem „endlosen Tag“ endete.
Auf dem Album: „Revolver“
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56. „I’m Down“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 14. Juni 1965, Veröffentlicht: 5. Juli 1965, B-Seite („Help!“)
„I’m Down“ ist einer der druckvollsten Titel, den die Beatles je aufnahmen – ein schlichter Rocker, der am gleichen Tag wie „I’ve Just Seen A Face“ und dem Basistracks für „Yesterday“ entstand. Gerade diese Session demonstrierte die Spannbreite, zu der McCartney fähig war. „I’m Down“, das auf der Rückseite von „Help!“ landete, bewies seine Liebe zu Little-Richard-ähnlichen Klopfern. „Ich habe immer seine Sachen gesungen“, so McCartney, „aber irgendwann kam der Punkt, da ich auch mal eine eigene Nummer haben wollte.“ …
Der Song war fester Bestandteil ihrer US-Tournee 1965. Der Auftritt im New Yorker Shea Stadium lieferte dazu die eindrucksvollsten Bilder: McCartney gerät in Rage und wirbelt auf der Bühne herum; Lennon und Harrison müssen so lachen, dass sie ihre Einsätze am Mikro verpassen; Starr schlägt wild um sich – und Lennon spielt sein E-Piano mit den Ellbogen. Es waren die Beatles, die sich von der Beatlemania freigemacht hatten: vier Jungs in einer Band, die nichts anderes wollten, als zu rocken.
Auf dem Album: „Past Masters“
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Oder, wie es Ringo Starr einmal ausdrückte: „Uns verbleibt gerade mal der neunte Teil eines Pfund.“ „Taxman“ ist das verbindende Glied zwischen dem gitarrendominierten Scheppern der frühen Beatles-Aufnahmen und der psychedelischen Vielfalt der bevorstehenden Klangexperimente. Der Song ist letztlich rudimentärer Funk, doch die Überstunden, die Harrison in den Gitarren-Sound investierte, sollten seine Beschäftigung mit der indischen Musik vorwegnehmen.
Auf dem Album: „Revolver“
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54. „Two Of Us“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 31. Januar 1969, Veröffentlicht: 8. Mai 1970, nicht als Single veröffentlicht
Mit dieser gefühlvollen, überwiegend akustischen Nummer scheint McCartney der langjährigen Freundschaft mit Lennon Tribut zu zollen – ein Eindruck, der sich bestätigt, wenn man sich den betreffenden Ausschnitt aus dem „Let It Be“-Film anschaut, wo die beiden wie in alten Tagen gemeinsam vor einem einzigen Mikro stehen. Tatsächlich aber behandelte der Song seine Beziehung zu Linda Eastman, die er sechs Wochen nach dieser Aufnahme heiraten sollte …
„Wir schrieben uns damals viele Postkarten“, so Linda. Und sie setzten sich auch gerne ins Auto (mit McCartneys Hund Martha auf dem Rücksitz), um irgendwo ins Blaue zu fahren. Die Session, die „Two Of Us“ (als auch die Basic Tracks für „Let It Be“ und „The Long And Winding Road“) abwerfen sollte, fand einen Tag nach dem Apple-Dach-Konzert statt und schloss das „Get Back“-Experiment endgültig ab. Es war ein chaotischer Monat mit stressigen Film- und Plattenaufnahmen, an den die Beatles nicht gerade die angenehmsten Erinnerungen hatten.
Auf dem Album: „Let It Be“
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In bester Call-Reponse-Manier werden die „Yeahs“ nur so herausgeschleudert. Trotzdem war McCartney von seinen Textbeiträgen mehr als angetan: „Ich hatte mich mit Wortspielen und Onomatopöie beschäftigt. ,It won’t be long till I belong to you‘ war für mich ein Highlight.“ Lennons Urteil fiel harscher aus: „Es war mein Versuch, eine andere Art von Single zu schreiben.“ Aber „irgendwie wurde nichts draus“. Möglicherweise, weil das „Yeah-Yeah“-Element dann doch zu sehr an „She Loves You“ erinnerte.
Auf dem Album: „With The Beatles“
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Also dachte ich mir: ,Dann lass uns mal so eine Nummer machen.‘“
Die Beatles nahmen „Helter Skelter“ in einer Nacht auf, „in der sie sich“, so Toningenieur Brian Gibson, „komplett betrunken hatten“. Lennon traf auf Bass und Saxophon keine Note – und Starr meinte es völlig ernst, als er schrie: „I’ve got blisters on my fingers!“
Der Aufnahme wurde gern mit Charles Manson in Verbindung gebracht (an einer der Mordstätten stand ein blutiges „Helter Skelter“ auf der Wand), doch tatsächlich hatte der Titel eine völlig unschuldige Bedeutung: „Helter Skelter“ ist die Rutschbahn auf einem Spielplatz.
Auf dem Album: „The Beatles“
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Lennon und McCartney besuchten Anfang ’65 eins der ersten Byrds-Konzerte in England, und als sie im August eine Pause bei ihrer US-Tournee einlegten, schauten McCartney und Harrison auch bei einer Byrds-Session in Los Angeles vorbei. Zwei Monate später machte ihnen Harrison mit „If I Needed Someone“ allerdings das größte Kompliment. Die Riffs waren offenkundig angelehnt an McGuinns Gitarren-Licks auf „The Bells Of Rhymney“. „George machte gar keinen Hehl daraus“, so McGuinn, der damals den Vornamen Jim benutzte. „Er schickte uns ein Vorab-Exemplar und schrieb dazu: ‚This is for Jim‘“.
Auf dem Album: „Rubber Soul“
Copyright: Michael Ochs Archives/Getty Images
50. „Got To Get You Into My Life“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 7., 8. und 11. April, 18. Mai, 17. Juni 1966, Veröffentlicht: 28. Juli 1966, nicht als Single veröffentlicht
Und noch ein Drogen-Song: McCartney schrieb „Got To Get You Into My Life“ nach seiner ersten Begegnung mit Marihuana. „Es ist das Hohelied auf Pot“, erklärte er, „so wie ein anderer vielleicht eine Ode an Schokolade schreiben würde.“ Lennon sagt über den Song, es seien die Beatles, „die gerade ihre Tamla-Motown-Nummer“ durchziehen. Dabei hatte „Got To Get You Into My Life“ eigentlich zunächst als Akustik-Song das Licht der Welt erblickt …
Auf einem frühen Take (auf „Anthology 2“) hört man McCartney im nackten Falsett, während die Bläser erst zum Refrain eingesetzt werden. Der Einsatz der Bläser war noch ein Relikt ihres ursprünglichen Plans, „Revolver“ in Memphis aufzunehmen. Sie hatten sich seit Jahren bemüht, den „Bass & Drums“-Sound zu reproduzieren, doch die dortigen Studios verlangten horrende Gebühren, so dass man am Ende doch lieber zurück in die Abbey Road ging.
Auf dem Album: „Revolver“
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49. „The Night Before“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 17. Februar 1967, Veröffentlicht: 12. August 1965, nicht als Single veröffentlicht
Für jede andere Band wäre ein kleines Meisterwerk wie „The Night Before“ eine Hit-Single gewesen, vielleicht sogar der Startschuss für eine erfolgreiche Karriere. Für die Beatles war es nur einer von vielen Album-Tracks, die kaum noch die gebührende Beachtung fanden, als sie sich mit Lichtgeschwindigkeit von „A Hard Day’s Night“ über „Help!“ zu „Rubber Soul“ bewegten. Selbst ihre Fans hatten Mühe, dem Tempo zu folgen, in dem die Band Klassiker ablieferte …
Ihre Verehrung für Motown schlug sich in einigen Songs nieder, aber nie so nachdrücklich wie in dieser Uptempo-Nummer. Mit emotionaler Dringlichkeit lamentiert McCartney über die Untreue einer Freundin, während Lennon dazu ein übersprudelndes Riff auf dem E-Piano vom Stapel lässt. Im Film „Help!“ präsentieren die Beatles den Song auf der Salisbury Plain, in der Nähe von Stonehenge. Harrison mimt den Gitarristen – auch wenn es McCartney war, der im Studio das Solo einspielte.
Auf dem Album: „Help!“
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48. „The Ballad Of John And Yoko“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 14. April 1969, Veröffentlicht: 21. Mai 1969, 7 Wochen, Nr. 1
Am 16. März 1969 flogen Lennon und Yoko Ono nach Paris, um dort zu heiraten. Es war der Beginn einer zweiwöchigen Odyssee, die sie nach Gibraltar, Amsterdam und Wien führte. Kritische Journalisten warfen ihnen vor, die Friedensbewegung für ihre PR-Aktivitäten zu missbrauchen. „Die Presseleute kamen rein“, sagte Lennon dem ROLLING STONE, „und dachten wohl, wir würden für sie vögeln. Aber wir saßen nur in unseren Pyjamas da und sagten: ,Peace, brother.‘“ …
„Es war eine aufreibende Zeit für uns“, so Yoko, „aber John machte aus dem Song eine Komödie, auch wenn es wohl eher eine Tragödie war.“ Lennon wollte die Nummer schnell veröffentlichen, also spielte er mit McCartney alle Instrumente selbst ein. „Paul war bewusst, dass die Leute damals bösartige Sachen über John sagten“, so Ono. „Er wollte ihm helfen, dass er sich besser fühlte. Paul kann wirklich so etwas wie der große Bruder sein.“
Auf dem Album: „Past Masters“
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„Es war eine Wehmütigkeit, die in die Zukunft projiziert wurde: Wir werden uns an die Dinge, die wir heute sagen, irgendwann erinnern. Er schaut in eine Zukunft, in der wir dann nostalgisch an den jetzigen Moment zurückdenken werden. Ich fand, das war ein cleverer Schachzug.“ Obwohl McCartney seiner großen Liebe schwört, dass „we’ll go on and on“, sollte es nicht sein: McCartney und Asher verlobten sich zwar 1967, trennten sich aber im folgenden Jahr. „Vielleicht werden wir einmal, wenn wir 70 Jahre alt sind, uns als alte Jugendfreunde wieder begegnen und dann vor den Traualtar treten“, so McCartney.
Auf dem Album: „A Hard Day’s Night“
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46. „Don’t Let Me Down“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 22., 28. und 30. Januar 1969, Veröffentlicht: 10. April 1969, B-Seite („Get Back“)
Als die „Get Back“/„Don’t Let Me Down“-Single erschien, wurde sie in England mit dem Slogan „The Beatles as nature intended … The first Beatles record which is as live as can be, in this electronic age. There’s no electronic whatchamacallit.“ beworben. Beide Aufnahmen wurden live im Apple-Studio eingespielt. Der Keyboarder Billy Preston, der gerade bei der Begleitband von Ray Charles ausgestiegen war, unterstützte die Beatles …
1980 fasste Lennon die Aussage des Songs zusammen: „Es geht um mich, und ich singe über Yoko.“ McCartney gab später detailliertere Auskunft: „Es war eine extrem angespannte Phase. John lebte mit Yoko und nahm Heroin – mit all den begleitenden Paranoias. Er befand sich in einem extremen Gefühlszustand. Insofern war ,Don’t Let Me Down‘ ein durchaus ernstgemeinter Hilferuf.“ Lennon musste sich im Studio überwinden, mit der erforderlichen Unverblümtheit zu singen, deswegen bat er Starr, vor seinem Einsatz kräftig auf das Becken zu schlagen.
Auf dem Album: „Past Masters“
Copyright: Evening Standard/Getty Images
45. „No Reply“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 30. September 1964, Veröffentlicht: 13. November 1964, keine Chartplatzierung
„Beatles For Sale“, das zweite Beatles-Album, war ein Schnellschuss, der in sieben Tagen aufgenommen wurde. Die Sessions erstreckten sich allerdings über drei Monate, da die Band zwischen Tourneen in Amerika und England keine Zeit für konzentrierte Sessions hatte. Und obwohl gerade die Beatlemania auf ihren Höhepunkt zusteuerte, fand Lennon noch die Zeit, weiter an seinen Qualitäten als Songschreiber zu feilen.„No Reply“ war ursprünglich für Tommy Quickly geschrieben, der ebenfalls von Brian Epstein gemanagt wurde …
Die Beatles wollten den Song dann aber lieber doch selbst behalten. Die Vorlage zu „No Reply“ war „Silhouettes“ von den Rays, ein Doo-Wop-Song aus dem Jahr 1957, in dem der Sänger ein Paar hinter einem Fenstervorhang beobachtet und fälschlicherweise glaubt, dass sein Mädchen ihn gerade betrügt. Bei Lennons „No Reply“ betrügt sie ihn wirklich. „Ich stellte mir vor, wie ich die Straße entlang gehe und plötzlich ihre Silhouette hinter dem Fenster sehe, und natürlich geht sie auch nicht ans Telefon!“
Auf dem Album: „Beatles For Sale“
Copyright: Express/Archive Photos/Getty Images
44. „All My Loving“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 30. Juli 1963, Veröffentlicht: 12. November 1963, 1 Woche, Nr. 32
Es war das erste Lied, für das ich zuerst den Text schrieb“, sagte McCartney über den Song, der einer ihrer unwiderstehlichsten Hits werden sollte. Er brachte den Text im Bus zu Papier, als die Beatles gemeinsam mit Roy Orbison auf Tour waren. Als sie bei der Konzerthalle ankamen, hatte er seine Gitarre nicht zur Hand, fand aber hinter der Bühne ein Klavier, auf dem er den Song vertonte. Die Mär von der schmachtenden Liebe hatte ein leichtes Nashville-Flair, hörbar vor allem in Harrisons Solo, das den Gitarren-Twang von Carl Perkins kongenial nachempfand …
Harrison verehrte den Mann, der „Blue Suede Shoes“ geschrieben hatte. Er war auf einer der frühen Tourneen sogar unter dem Namen „Carl Harrison“ gereist. Insgesamt hatte die Band mehr Songs von Perkins im Repertoire als von jedem anderen Songschreiber. „All My Loving“ wurde ein fester Bestandteil ihres Repertoires. „Es ist eine verdammt gute Nummer“, sagte Lennon respektvoll über McCartneys Komposition, „aber ich spiele auch eine Granaten-Gitarre.“
Auf dem Album: „With The Beatles“
Copyright: David Redfern/Redferns
43. „Drive My Car“
Autor: McCartney/Lennon, Aufgenommen: 13. Oktober 1965, Veröffentlicht: 7. Dezember 1965, nicht als Single veröffentlicht
Als er wieder mal zu einer Session nach Weybridge unterwegs war, ging McCartney eine Melodie durch den Kopf, die ihm gut gefiel – während die spontan erdachten Lyrics bloß „Can’t Buy Me Love“ recycleten. Lennon schlug eine sexuellere Variante vor – „drive my car“ – und gemeinsam heckten sie einen Text über ein strebsames Starlet aus. „Für mich kam eigentlich nur ein Mädchen aus Los Angeles in Frage. Mit ,You can be my chauffeur‘“ meinte McCartney, der sich auch die Schluss-Pointe ausdachte:
Das Mädchen gesteht, dass sie überhaupt kein Auto hat.“ „Drive My Car“ ist einer der Beatles-Songs, der seine Wurzeln im R&B nicht verheimlichen kann: Die stilistische Verneigung ging von Harrison aus, der die straffen Gitarren und den funky Bass an Otis Reddings „Repect“ ausrichtete. Von der amerikanischen „Rubber Soul“-Version wurde „Drive My Car“ in letzter Minute entfernt, da Capitol Records versuchte, das Album auf ein akustisches Gesamtbild zu trimmen.
Auf dem Album: „Rubber Soul“
Copyright: Keystone/Getty Images
42. „I Feel Fine“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 18. Oktober 1964, Veröffentlicht: 9. November 1964, 9 Wochen, Nr. 3
„I Feel Fine“ beginnt mit einem dröhnenden Feedback aus Lennons Verstärker. Im Vergleich zu den Geräuschorgien, die wenig später Jimi Hendrix und Pete Townshend auf die Menschheit loslassen würden, war der verzerrte Sound-Schnipsel harmlos – aber: Die Beatles waren auch in diesem Punkt die Ersten. „Ich mache mit jedem eine Wette“, so Lennon, „dass er keine Platte findet – außer vielleicht einer obskuren Blues-Aufnahme von 1922 –, auf der das Feedback so eingesetzt wurde wie hier.“ …
George Martin zufolge war das Feedback bei den Sessions ein ständiges Ärgernis. „John drehte grundsätzlich den Lautstärkeregler voll auf.“ Das Feedback auf „I Feel Fine“ war aber bewusst produziert worden, es befindet sich bereits auf den Master-Bändern des ersten Takes. „I Feel Fine“ demonstriert auch die wachsenden Fertigkeiten der Bandmitglieder, beispielhaft in dem calypso-artigen Dialog, den Starr inszenierte. „Ringo“, so George Martin, „entwickelte sich zu einen musikalischen Denker. Er versuchte immer, neue Ideen auszuprobieren.“
Auf dem Album: „Past Masters“
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41. „Get Back“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 23., 27., 28. und 30. Januar, 5. Februar 1969, Veröffentlicht: 10. April 1969, 7 Wochen, Nr. 1
Die Sessions vom Januar 1969 waren anberaumt worden, um die Beatles zu ihren Wurzeln als Live-Rock’n’Roll-Band zurückzuführen. Als McCartney mit einem Song namens „Get Back“ aufkreuzte, schien er perfekt zu passen. Es sollte auch der letzte Song sein, den die Beatles am 30. Januar bei ihrem Abschiedsgig auf dem Dach des Apple-Gebäudes spielten. Die Originalversion des Textes thematisierte die in der britischen Bevölkerung vorherrschende migrantenfeindliche Stimmung …
McCartney ließ seine Rassismus-Parodie dann aber lieber außen vor und konzentrierte sich auf die Geschichte von Jo Jo und der transsexuellen Loretta Martin. Musikalisches Highlights waren Lennons bluesige Lead-Gitarre, dieser nannte „Get Back“ „eine bessere Version von ,Lady Madonna‘.“ Aber er hegte auch die Vermutung, dass der Song heimlich an Yoko adressiert war: „Ich meine: ,Get back to where you once belonged.‘ Wenn Paul die Zeile im Studio sang, schaute er Yoko an.“
Auf den Alben: „Let It Be“ und „Past Masters“
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39. „Day Tripper“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 16. Oktober 1965, Aufgenommen: 22. November 1965, B-Seite („We Can Work It Out“)
„Day Tripper“ war ein „Drogen-Song“, erklärte Lennon 1970 dem ROLLING STONE. „Ich brauchte immer irgendeine Droge. Die anderen Jungs nahmen sie auch, aber ich hatte immer mehr, weil ich auch verrückter bin.“ Mit dem Song wollte Lennon den Poseuren ans Bein pinkeln. „Day Tripper sind die Leute, die auf einen Tagesausflug gehen, eine Spritztour unternehmen. Der Song sagte letztlich: ,Ihr seid doch nur Wochenend-Hippies.‘“ „Wir“, so McCartney, „verstanden uns dagegen als Full-Time-Tripper.“ Es war nicht der einzige Insider-Joke, den die Beatles in den Song packten. „Es gibt einige Anspielungen“, so McCartney, „von denen wir wussten, dass unsere Freunde sie kapieren würden, während sie der englischen Öffentlichkeit verborgen blieben …
,She’s a big teaser‘ bedeutet eigentlich ,She’s a prick teaser.‘ Wir fanden das lustig.“ Lennon und McCartney räumten ein, dass „Day Tripper“ eigentlich eine „Schnellnummer“ war, die unter Termindruck entstand, weil sie schon im Dezember als Single erscheinen sollte. Auch wenn man Lennons bluesiges Gitarren-Hook vielleicht als Replik auf den aktuellen Stones-Hit „Satisfaction“ deuten kann, war „Day Tripper“ doch ein komplexes Gebilde, das einen starken Beat mit kniffligen Arrangements verband. Lennons Riff mündet in der Mitte des Songs in einem wilden Arrangement, das durch aufsteigende Harmonien zum Höhepunkt getrieben wird …
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Harrisons Gitarre folgt dabei Lennons Solo in einer anderen Tonlage – bis Starrs Tamburin den Song wieder zu seinem ursprünglichen Rhythmus zurückführt. Julia Baird, Lennons Halbschwester, die bei der Session anwesend war, wunderte sich später über die Komplexität des oberflächlich so simplen Songs: „Es war, als würden viele Puzzle-Teile zusammengesetzt.“ „Day Tripper“ war als Single-Veröffentlichung geplant, doch als sie einige Tage später „We Can Work It Out“ aufgenommen hatten, war die vorherrschende Meinung, dies sei der kommerziellere Song. Und obwohl „We Can Work It Out“ in den Charts höher kletterte, erwies sich „Day Tripper“ als die populärere Live-Nummer.
Auf dem Album: „Past Masters“
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„Wie so oft“, so McCartney, „verlagerte sich das Thema dann auf eine überhöhte Ebene. Statt also konkret zu schreiben, nahm der Song die symbolische Kurve – und aus der Frau wurde ein Vogel.“ McCartney nahm den Track im Alleingang auf. Harrison und Starr waren in Kalifornien (wo Harrison für den Ravi-Shankar-Film „Raga“ vor der Kamera stand), während Lennon in einem anderen Studio an „Revolution 9“ arbeitete. McCartney, der den Song nach seiner Rückkehr aus Indien geschrieben hatte, griff für die Gitarren-Melodie auf Bachs „Bourrée in E-Moll“ zurück, die er und Harrison in frühen Jahren gespielt hatten, um ihre Gitarrentechnik zu verbessern. Die Amsel, die auf dem Track zu hören ist, stammte aus einer Datenbank für Soundeffekte …
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„Sie machte ihren Job wirklich prima“, witzelte McCartney. Nachdem er ein paar vergebliche Anläufe unternommen hatte, sagte McCartney zu Ton-Ingenieur Geoff Emerick, dass der Song so klingen solle, als wäre er im Freien aufgenommen worden. „Kein Problem“, sagte der. „Dann lass uns rausgehen.“ McCartney gab die erste halb-offizielle Vorstellung seines neuen Songs für eine Gruppe von Fans, die vor seinem Haus in der Cavendish Avenue standen. „Paul öffnete das Fenster“, so einer der Anwesenden, „und rief: ,Seid ihr noch da?‘ Dann setzte er sich mit seiner Gitarre auf das Fenstersims und sang ,Blackbird‘.“
Auf dem Album: „The Beatles“
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37. „She Said She Said“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 21. Juni 1966, Veröffentlicht: 28. Juli 1966, nicht als Single veröffentlicht
Der letzte Song, der für „Revolver“ aufgenommen wurde, beginnt mit dicker Luft: Lennon geifert gegen Schauspieler Peter Fonda, der ihm auf einem gemeinsamen LSD-Trip mit seinem Todes-Geschwafel auf die Nerven gegangen war. Als Basislager für ihre Konzerte in Oregon, San Francisco und in der „Hollywood Bowl“ hatten die Beatles im August 1965 ihre Zelte in Los Angeles aufgeschlagen. An einem Nachmittag kam Fonda – zusammen mit Roger McGuinn und David Crosby von den Byrds – zu ihrem Haus im Benedict Canyon und hatte LSD mitgebracht. Als Harrison auf seinem Trip das Gefühl beschlich, er müsse sterben, meinte Fonda, er solle sich keine Sorgen machen. Er selbst habe als Kind bei einer Operation eine Begegnung mit dem Tod gehabt:
„I know what it’s like to be dead.“ Lennon, selbst nicht Herr seiner Sinne, wollte Fonda an die Gurgel. Die bitteren Erinnerungen an den Trip blieben. Lennon nannte den Song zunächst „He Said He Said“, zitierte zu Beginn Fondas Worte, um dann zum Gegenschlag auszuholen: „I said ‚who put all that crap in your head?‘“ (Bei der späteren Version klingt er dann etwas konzilianter: „Who put all those things in your head?“) Lennon spürte wohl auch, dass er sich mit dem Affront verrannt hatte. Er ließ den Song ein paar Tage liegen und baute dann ein Element ein, das nicht nur rhythmisch aus dem Rahmen fiel, sondern auch die Aggressivität des Songs mit einem Moment kindlicher Unschuld konterkarierte …
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Untermalt mit süffigen Harmonien und Starrs schwungvollem Drumming entwickelte sich „She Said She Said“ zu einer philosophischen Betrachtung über das Ego und die Unsterblichkeit. Ihr Aufenthalt in Kalifornien war nur kurz, aber in Los Angeles und San Francisco sollte der Flashback dieser psychedelischen Episode noch lange nachhallen. Was immer die Beatles veröffentlichten, hinterließ in der hippen Musikszene einen nachhaltigen Eindruck. Ob Beach Boys, Love oder Grateful Dead: Der Westcoast-Pop-Sound der kommenden Jahre ließ sich direkt auf „Revolver“ zurückführen.
Auf dem Album: „Revolver“
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36. „I Should Have Known Better“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 25. und 26. Februar 1964, Veröffentlicht: 6. Juli 1964, 4 Wochen, Nr. 6
Lennon war von dem Song, der auf der B-Seite von „A Hard Day’s Night“ landete, nicht übermäßig angetan. „Nur ein Song“, sagte er. „Er hat keinerlei Wert.“ Es war immerhin Lennons erster Song, der direkt von Dylan beeinflusst war – und der einen musikalischen Wettkampf auslöste, der sich über fast zwei Jahrzehnte hinziehen sollte. Als sich die Beatles im Januar 1964 in Paris aufhielten, drückte ihnen ein DJ das „The Freewheelin’ Bob Dylan“-Album in die Hand, das zwar im Mai 1963 in Europa veröffentlicht worden war, aber nicht allzu große Wellen geschlagen hatte. „In den nächsten drei Wochen, die wir in Paris waren“, so Lennon, „hörten wir es rund um die Uhr. Wir alle fraßen an Dylan einen Narren.“ …
Als die Band einen Monat später „I Should Have Known Better“ aufnahm, stieg Lennon mit einem Mundharmonika-Solo ein, das erheblich rüder war als bei früheren Aufnahmen und definitiv nach Dylan klang. Dylan seinerseits war von den Beatles beeindruckt und bewegte sich instinktiv in eine neue stilistische Richtung. Ein Jahr nach „I Should Have Known Better“ stellte er seine erste elektrische Band zusammen, die beim Newport Folk Festival ihr legendäres Debüt gab. Anfang 1965 nahm Dylan „If You Gotta Go, Go Now“ auf, das sich klanglich vor der British Invasion verneigte, vor allem mit einem Riff, das an „I Should Have Known Better“ erinnerte. Mit „Norwegian Wood“ spielte Lennon den Ball zurück …
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(Ihr freundschaftlicher Wettstreit sollte selbst kurz vor Lennons Tod noch andauern, als Dylan sein religiös angehauchtes „Gotta Serve Somebody“ aufnahm – und Lennon mit „Serve Yourself“ antwortete.) Starr spielte in den 70er- und 80er- Jahren einige Male mit Dylan, aber es war am Ende George Harrison, der zu Dylan den engsten Kontakt entwickelte, regelmäßig mit ihm zusammenarbeitete und 1988 mit Dylan die Traveling Wilburys aus der Taufe hob. Und Harrison war wohl nicht der einzige Beatle, der sich für dieses Projekt erwärmen konnte. Tom Petty berichtete davon, dass Harrison einmal zu ihm gesagt habe: „Klar, John wäre bei den Traveling Wilburys sofort eingestiegen.“
Auf dem Album: „A Hard Day’s Night“
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„Sie standen dort jeden Abend auf der Bühne – und sie hörten amerikanische R&B-Platten und versuchten sie nachzusingen.“ McCartney kam die Idee zu dem ungewöhnlichen Aufbau des Songs, als er wieder einmal auf der langen Fahrt zu Lennons Haus war. „Unterwegs gingen mir oft Gedanken durch den Kopf, die dann der Ausgangspunkt eines Songs waren. Ich kam rein, aß meine Cornflakes und sagte: ,Wie wäre es, wenn wir im Song einen Brief schreiben würden: ,Dear Sir or Madam‘, dann der nächste Satz, der nächste Paragraf und so weiter?“ Lennon selbst beschrieb „Paperback Writer“ später als „der Sohn von ,Day Tripper‘, anders gesagt:als einen Rock’n’Roll-Song mit einem lauten, verzerrten Gitarren-Lick“ …
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Für Toningenieur Geoff Emerick wiederum war das magische Extra der knallige Bums, den er aus Starrs Bass-Drum zauberte: „Wir hatten die vordere Membran der Bass-Drum abgenommen und zur Dämpfung Pullover hineingesteckt.“ Emerick plat- zierte dann ein Mikro direkt vor die Trommel – wofür er sich prompt eine Rüge der Studio-Bosse einfing. „Man durfte nicht näher als 60 Zentimeter an eine Bass-Trommel herantreten, weil der Luftdruck sonst das Mikro zerstört hätte.“ Nach dem Erfolg von „Paperback Writer“ war das eherne Gesetz allerdings Schnee von Gestern: „Ich bekam einen offiziellen Brief von EMI, der mir auch künftig diese Praxis erlaubte“, berichtete Geoff Emerick. „Allerdings nur auf den Platten der Beatles, das war die Einschränkung.“
Auf dem Album: „Past Masters“
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34. „Eight Days A Week“
Autor: McCartney/Lennon, Aufgenommen: 6. und 18. Oktober 1964, Veröffentlich: 13. November 1964, 5 Wochen, Nr. 1
Der Titel ging auf ein Gespräch zurück, das McCartney mit dem Chauffeur hatte, der ihn zu Lennons Haus in Weybridge brachte. McCartney fragte beiläufig, ob er sehr beschäftigt sei. „I’ve been working eight days a week“, antwortete der. „Niemand von uns hatte den Ausdruck gehört“, so McCartney. „Es war ein kleines Geschenk der Götter.“ Obwohl McCartney behauptete, dass der Song ihnen „in den Schoß fiel“, fehlten ein passender Einstieg, die acht Takte in der Mitte als auch ein überzeugender Abschluss. Die Beatles versuchten sich an mehreren Versionen, unter anderem einem gesanglosen Intro, fanden aber keine zufriedenstellende Lösung …
„Wir hatten Probleme mit der Aufnahme, weil wir auch Probleme mit dem Song hatten“, erinnerte sich Lennon. „Aber es war ohnehin eine lausige Nummer.“ Zum Ende des Jahres 1964 arbeiteten die Beatles sogar neun Tage pro Woche. Sie waren konstant auf Tour, hatten „A Hard Day’s Night“ gerade erst im Juni veröffentlicht, sollten nach ihrer Amerika-Tour aber gleich wieder ins Studio, um ein neues Album zum Weihnachtsgeschäft fertigzustellen. „Sie waren müde und ausgelaugt“, sagte George Martin. „Sie wurden 1963 und 1964 wirklich durch den Fleischwolf gedreht.“ Am selben Tag, als sie „Eight Days A Week“ fertigstellten, spielten sie noch sieben weitere Songs ein. Zwölf Tage später kamen sie allerdings noch einmal zurück, um sich auf das endgültige Arrangement zu einigen …
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Das Intro ist nun ein instrumentales Fade-In, das dem Song ein so warmes und positives Gefühl gibt, dass man meint, „es schon vorher einmal gehört zu haben“, so Ray Davies. „Beatles For Sale“ wurde im Dezember 1964 veröffentlicht, während kurz darauf „Beatles ’65“, das amerikanische Pendant, ohne „Eight Days A Week“ veröffentlicht wurde. In den USA wurde die Nummer zwei Monate später als Single veröffentlicht und wanderte wieder einmal schnurstracks auf Rang eins der Charts. Was die Einstellung der Band zu diesem Song aber nicht ändern sollte. In England wurde der Track nie als Single veröffentlicht, und auch live sollten sie ihn in den kommenden zwei Jahren nicht wieder spielen. Seiner Popularität zum Trotz, so Lennon, „war es nie ein gescheiter Song“.
Auf dem Album: „Beatles For Sale“
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33. „I Am The Walrus“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 5., 6., 27.-29. September 1967, Veröffentlicht: 9. November 1967, B-Seite („Hello, Goodbye)
Nach dem Tod von Brian Epstein am 27. August 1967 war an kreatives Arbeiten nicht zu denken. Doch als man die Situation einige Tage später bei einem Meeting besprach, überzeugte McCartney seine Kollegen, dass es nur ein sicheres Mittel gegen die Agonie gebe: wieder ins Studio zu gehen. Als sie sich am 5. September in der Abbey Road trafen, hatte Lennon einen Song mitgebracht, der aus dem Rahmen fiel. Er hatte „I Am The Walrus“ geschrieben, nachdem er in der Zeitung gelesen hatte, dass englische Schüler Beatles-Texte studierten, um darin vielleicht versteckte Botschaften zu finden. Lennon spielte eine Akustik-Version im Studio vor, erntete zunächst aber nur Unverständnis. Lennon hatte die Idee von Lewis Carrolls Gedicht „The Walrus and the Carpenter“ übernommen und dann unzusammenhängende Textfetzen aneinandergereiht:
Es begann mit den „pigs from a gun“, streifte Hare Krishna und Edgar Allan Poe und endete mit einem bizarren „goo-goo-g’joob“. „Was zum Teufel soll ich damit anfangen?“, fragte ein irritierter George Martin. Nichtsdestotrotz machten sich alle an die Arbeit. Lennon entwickelte auf dem E-Piano eine kleine Melodie, McCartney übernahm das Tamburin (um sicherzustellen, dass Starr im Takt blieb). Toningenieur Emerick meinte rückblickend, dass es „einer von Pauls besten Momenten“ war, die Band in dieser Situation zusammenzuhalten. Erst in der Post-Produktion erwachte der Song zu seiner verschrobenen Größe. Obwohl er sich anfangs gesträubt hatte, kreierte Martin ein meisterliches Orchester-Arrangement, das akustische Schwindelgefühle auslöste …
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Lennon wünschte die maximale Verzerrung auf seinem Gesangs-Track: Seine Stimme sollte so klingen, als käme sie vom Mond. „Die Worte ergeben natürlich nicht gerade Sinn“, kommentierte Lennon. „Die Leute ziehen so viele voreilige Schlüsse, dass es einfach nur noch lächerlich ist. Was soll ,I am the Eggman‘ wohl bedeuten? Von mir aus hätte es auch Pudding sein können.“ Die Lyrics beinhalten allerdings auch diverse Doppelbödigkeiten, die nur für Insider verständlich waren: „Semolina pilchard“ ist eine Anspielung auf den Drogen-Jäger Norman Pilcher, der Mick Jagger und Keith Richards festgenommen hatte; „The Eggman“ war eine Referenz an Carrolls „Humpty Dumpty“.
Auf dem Album: „Magical Mystery Tour“
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32. „Penny Lane“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 29. und 30. Dezember 1966, 4.–6., 9., 10., 12. und 17. Januar 1967, Veröffentlicht: 25. Januar 1967, 8 Wochen, Nr. 1
„Wir hatten gerade die Arbeit an ,Strawberry Fields‘ abgeschlossen“, so George Martin, „und ,Penny Lane‘ war das Resultat einer ,Was John kann, kann ich auch‘-Attitüde. ,Strawberry Fields‘ war ein derartiger Knaller, dass Paul nach Hause ging, um das Optimum aus seiner Song-Idee herauszuholen. Und beide Songs waren bedeutsam, beide behandelten ihre Kindheit.“ Ursprünglich als Teil von „Sgt. Pepper“ konzipiert, wurden beide Tracks dann vorab als „Doppel-A-Seite“-Single veröffentlicht. Große Teile des Textes gehen unmittelbar auf seine Jugendjahre in Liverpool zurück …
Penny Lane ist eine Nachbarschaft ganz in der Nähe von Mimis Haus, wo Lennon seine Kindheit verbrachte; es ist auch der Name eines Bus-Depots, wo McCartney umsteigen musste, wenn er Lennon besuchte. Der Friseursalon in der Gegend („Bioletti’s“) zeigte im Fenster Schautafeln mit schicken Frisuren, daher die Zeile: „There is a barber showing photographs/ Of every head he’s had the pleasure to know.“ Der Song sei zum Teil faktisch, so McCartney, „zum Teil nostalgisch: die Erinnerung an den blauen Himmel der Vorstadt, so wie sie in uns weiterlebt.“ „Penny Lane“ lebt nicht nur von seiner exquisiten Melodieführung, sondern auch von den komplexen Arrangements …
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McCartney übernahm Piano, Bass, Harmonium und Tamburin, die Band kümmerte sich um Gitarre, Drums und noch mehr Piano, es gab mehrere Bläsergruppen, und alle zusammen errichteten sie einen filigranen aber trotzdem pompösen Sound, der einerseits alle Kriterien eines Rock-Songs erfüllte und doch völlig anders klang. Dieser Höhepunkt wurde inspiriert von einem Konzert mit Bachs „Brandenburg Concerto Nr. 2“, das McCartney im Fernsehen sah, nachdem der Basic Track von „Penny Lane“ bereits fertiggestellt war. Er holte David Mason, den Trompeter des Fernsehkonzerts, umgehend ins Studio und baute sein Piccolo-Solo in die Aufnahme ein. „Penny Lane“ bescherte den Beatles nicht nur einen Nummer-eins-Hit, sondern Lennons alter Nachbarschaft auch einen touristischen Boom.
Auf dem Album: „Magical Mystery Tour“
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31.„You’ve Got To Hide Your Love Away“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 18. Februar 1965, Veröffentlicht: 12. August 1965, nicht als Single veröffentlicht
„Das bin ich in meiner Dylan-phase“, sagte Lennon über den Song. „Ich bin wie ein Chamäleon und werde beeinflusst von allem, was um mich herum passiert. Was Elvis kann, kann ich auch. Was die Everly Brothers können, können Paul und ich auch. Das Gleiche mit Dylan.“ So wie die Beatles Dylan motiviert hatten, einen roheren Rock’n’Roll-Sound in seine Musik zu integrieren, so hatte Dylan die Beatles – und Lennon im Besonderen – dazu veranlasst, beim Songschreiben verstärkt nach einer individuellen, persönlichen Perspektive zu suchen …
McCartney konstatierte, dass Dylans Lyrics „bei John einen Nerv trafen. Es war fast so, als würde er sagen: ,Hey, das hätte ich schreiben können.‘ Insofern ist es seine Dylan-Impression, die er auf ,Hide Your Love Away‘ abliefert.“ Auch der Zufall griff Lennon beim Schreiben unter die Arme. Er hatte ursprünglich getextet: „If she’s gone, I can’t go on/ Feeling two foot tall“, doch als er den Song McCartney vorstellte und dabei fälschlichweise „two foot small“ sang, waren beide der Meinung, dass diese Version besser sei. „You’ve Got To Hide Your Love Away“ wurde innerhalb eines Tages für den „Help!“-Soundtrack aufgenommen, und die Performance des Songs gehört zu den Highlights des Films. Es war auch die erste Aufnahme, bei der nur akustische Instrumente gespielt wurden, und es war einer der wenigen Songs, bei dem Lennon darauf verzichtete, seine Stimme im Studio doppeln zu lassen …
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Die Band hatte sich für den Song einen Gastmusiker ins Studio geholt, was bislang nur einmal der Fall war. Für das stolze Honorar von sechs Pfund und ohne Erwähnung in den Credits spielte Johnnie Scott Tenor- und Alt-Flöten-Passagen ein. Man gab ihm im Studio nur einen groben Rahmen vor und ließ ihn sein eigenes Arrangement entwickeln. Scott erinnert sich noch daran, dass die Jungs in bester Stimmung gewesen seien: „Ringo schwamm im Eheglück. Er war gerade von seiner Hochzeitsreise zurückgekehrt.“ Während die Beatles den Song nicht als Single veröffentlichten („nicht kommerziell genug“, so Lennon), landete die englische Folk-Gruppe The Silkie (von Brian Epstein gemanagt) mit ihrer Version einen kleineren Hit. Auch die Beach Boys bekundeten umgehend Respekt und nahmen für „Beach Boys’ Party“ ebenfalls eine Coverversion auf.
Auf dem Album: „Help!“
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30. „We Can Work It Out“
Autor: McCartney/Lennon, Aufgenommen: 20. und 29. Oktober 1965, Veröffentlicht: 22. November 1965, 8 Wochen, Nr. 2
Der Song zieht den Hörer mitten in eine Auseinandersetzung zwischen good cop und bad cop, zwischen optimistischen Refrains und warnenden Versen wie „Our love may soon be gone“. „We Can Work It Out“ ist ein mutmachender McCartney-Song, der nach einem Streit mit seiner Freundin Jane Asher entstand. Mit dräuenden Moll-Akkorden lieferte Lennon allerdings gleich die dunkle Sicht der Dinge: „Life is very short, and there’s no time for fussing and fighting.“ „Paul“, so Lennon, „schreibt natürlich: ,We can work it out‘. Der echte Optimist. Ich dagegen: ungeduldig.“ …
In den EMI-Studios war die Band zufällig auf ein altes Harmonium gestoßen, und McCartney erinnert sich, dass er in dem Moment dachte: „Hm, das könnte eine nette Klangfarbe liefern.“ Harrison schlug dann vor, für die Bridge statt dem vorherrschenden 4/4- lieber einen Walzer-Takt zu verwenden. Gerade durch den unorthodoxen Wechsel auf den 3/4-Takt scheint das alte Harmonium den Klang eines Zirkuskarussells anzunehmen. Elf Stunden Studio-Arbeit investierten sie in den Feinschliff von „We Can Work It Out“ – mehr als für jede andere Aufnahme zuvor …
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Die Spannung in den Lyrics, der Gegensatz zwischen dem hoffnungsvollen McCartney und dem defätistischen Lennon, gaben vielleicht schon einen Vorgeschmack darauf, wie sich die beiden im Lauf der kommenden Jahre auseinander entwickeln würden. „Sie gingen erstmals durch eine Phase, in der sich Risse in ihrer Gemeinschaft zeigten“, so Ray Davies. „Eine meiner kleinen Theorien ist: Jede Karriere hat ihre eigene Geschichte, und wenn man sich die Songtitel anschaut, erzählen sie oft, was sich hinter den Kulissen bereits anbahnte.“
Auf dem Album: „Past Masters“
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29. „Can’t Buy Me Love“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 29. Januar und 25. Februar 1964, Veröffentlicht: 9. März 1964, 3 Wochen, Nr. 24
Mitte März 1964 waren die Beatles die größte Band der Welt: In den USA gingen 60 Prozent der Single-Verkäufe auf ihr Konto, und mehr als drei Millionen Vorbestellungen von „Can’t Buy Me Love“ katapultierten sie in eine unerforschte Stratosphäre. Zwei Wochen nach der Veröffentlichung belegten ihre Aufnahmen die ersten fünf Plätze der Billboard-Charts: „Can’t Buy Me Love“, „Twist And Shout“, „She Loves You“, „I Want To Hold Your Hand“ und „Please Please Me“. Eine Woche darauf brachen sie den nächsten Rekord: In den Top 100 tummelten sich 14 Beatles-Singles. (Den früheren Rekord hatte Elvis 1956 mit neun Singles gehalten.) …
„Die Leute daheim in England“, so George Martin, „bekamen gar nicht richtig mit, dass sie wirklich diesen Kontinent eroberten – und dass ihr Erfolg alles in den Schatten stellte.“ Nach einem 18-tägigen Gastspiel im Pariser „Olympia“, wo sie täglich bis zu drei Auftritte absolvierten, liefen die Beatles wie eine gut geölte Maschine. So brauchten sie nur vier Takes, um „Can’t Buy Me Love“ aus dem Ärmel zu schütteln. Elf Tage später sollten sie in der „Ed Sullivan Show“ ihr US-Fernseh-Debüt geben – und auch den amerikanischen Kontinent mit der Beatlemania infizieren. McCartney sagte später, dass „Can’t Buy Me Love“ „mein Versuch war, eine bluesige Nummer zu schreiben“. Tatsächlich ist der Song aber näher an den frühen Einflüssen der Band: am optimistischen Drive von Motown und dem forschen Sound der Fünfziger …
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Lennon und McCartney waren mit Rockabilly groß geworden, aber es war Harrison, der sich in diesem Genre wirklich auskannte: Besonders auf den frühen Aufnahmen transportierte er die stilistische Schlichtheit von Carl Perkins und Scotty Moore in die Pop-Gegenwart. Sein Solo in „Can’t Buy Me Love“ klingt wie Memphis im Jahr 1956, aufpoliert für eine neue Generation. Die Lyrics von „Can’t Buy Me Love“ waren im Prinzip Zuckerwatte – Liebe ist wichtiger als materielle Dinge –, und doch schafften es einige Fans, mit ihrer Interpretation McCartney zu irritieren: „Ich vermute, dass man alles in einen Song hineindeuten kann, aber wenn jemand unterstellt, dass ,Can’t Buy Me Love‘ von einer Prostituierten handelt, beginne ich doch zu zweifeln.“
Auf dem Album: „A Hard Day’s Night“
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28. „Here Comes The Sun“
Autor: Harrison, Aufgenommen: 7., 8. und 16. Juli, 6., 15. und 19. August 1969, Veröffentlicht: 26. September 1969, nicht als Single veröffentlicht
Harrison schrieb einen der unbeschwertesten Beatles-Songs als er die Schule schwänzte. 1969 war Apple Records nur noch eine Ruine: Manager Allen Klein und Anwalt John Eastman rangen um die geschäftliche Kontrolle, Streitereien über Finanzen standen auf der Tagesordnung. „Apple war so attraktiv wie die Schule – wir mussten uns regelmäßig dort zeigen und den Businessmann spielen:
,Unterschreib hier, unterschreib da!‘ Eines Tages“, so Harrison, „hatte ich die Nase von Apple so voll, dass ich zu Eric Clapton aufs Land fuhr. Es war eine unglaubliche Erleichterung, nicht mehr mit diesen wahnwitzigen Buchhaltern konfrontiert zu werden. Ich ging hinaus in den Garten, nahm eine von Erics akustischen Gitarren und schrieb ,Here Comes The Sun‘.“ Kinfauns, Harrisons Anwesen, war nur etwa eine halbe Stunde von Claptons Villa entfernt – vielleicht auch ein Grund, warum die beiden Gitarristen inzwischen die besten Freunde geworden waren. Clapton hatte das Solo zu „While My Guitar Gently Weeps“ beigesteuert, während Harrisons beim Schreiben des Cream-Hits „Badge“ hilfreich war …
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„Es war ein wundervoller Frühlingsmorgen“, schreibt Clapton in seiner Autobiografie, „und wir saßen auf einem Hügel. Wir hatten unsere Gitarren dabei und klampften vor uns hin, als er plötzlich zu singen anfing: ,De da de de, it’s been a long cold winter‘. Und Stück für Stück kam es aus ihm heraus – bis es Zeit zum Mittagessen war.“ Zusammen mit „Something“ lieferte Harrisons Song den Beweis, dass die Beatles nun über drei begnadete Songschreiber verfügten. „George taute geradezu auf“, meinte Starr. „Just zu dem Zeitpunkt, als es mit den Beatles bergab ging.“ Selbst Lennon und McCartney, die das Songschreiben bislang als ihre Domäne verteidigt hatten, erkannten Harrisons Qualitäten neidlos an.
Auf dem Album: „Abbey Road“
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27. „You’re Going To Lose That Girl“
Autor: Lennon/McCartney, Aufgenommen: 19. Februar 1965, Veröffentlicht: 12. August 1965, nicht als Single veröffentlicht
Es war der letzte Song, den die Beatles für den „Help!“-Soundtrack aufnahmen, bevor sie für die Filmaufnahmen auf die Bahamas flogen. Mit zwei schnellen Takes war „You’re Gonna Lose That Girl“ im Kasten. Lennon hatte mit dem Schreiben des Song zunächst alleine angefangen, bei einem Besuch in Lennons Haus in Weybridge hatte McCartney ihm dann unter die Arme gegriffen …
Wie schon „She Loves You“ wendet sich auch in „You’re Going To Lose That Girl“ der Sänger an einen männlichen Freund. Aber während Lennon in dem früheren Hit noch Mitgefühl zeigt, wartet er diesmal mit einer expliziten Warnung auf: „I’ll make a point of taking her away from you.“ Auch wenn Lennons Falsett und Starrs wilde Bongos im Vordergrund stehen, so entwickelt der Song doch erst durch die Background-Vocals seinen Charme …
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Die Call-&-Response-Elemente, mit denen die Vorgänge kommentiert werden („Watch what you do!“), dokumentieren den Einfluss, den die Girl Groups der frühen Sechziger noch immer auf die Beatles hatten. Im Film wird der Song in einem verrauchten Studio aufgeführt. McCartney hatte Wert darauf gelegt, dass ihr Material – anders als bei den gängigen Film-Musicals – in einem realistischen Umfeld präsentiert würde.
Auf dem Album: „Help!“
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26. „If I Fell“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 27. Februar 1964, Veröffentlicht: 6. Juli 1964, 2 Wochen, Nr. 25
„If I Fell“ war Lennons erster versuch, eine langsame, gefühlvolle Nummer für die Beatles zu schreiben. „Man vergisst leicht“, so McCartney, „dass John auch wundervolle Balladen verfassen konnte. Die Leute verbinden mit ihm den scharfzüngigen Witz und die ruppige Ader, aber er hat durchaus eine weiche Seite, auch wenn er die nicht gerne zeigt.“ …
Lennon sagte, dass der Text – in dem er um die Liebe einer neuen Freundin bettelt, nachdem er von seiner letzten abserviert worden war – „halb-autobiografisch“ gewesen sei, auch wenn er keine konkrete Person im Auge gehabt habe. Tatsächlich hatte der beschriebene Vorfall mit seiner da- maligen Lebenssituation wenig gemein: Er war seit Jahren mit Cynthia verheiratet, und Julian, ihr Sohn, war bereits ein Jahr alt. Musikalisch war „If I Fell“ einer der cleversten Songs, die Lennon bis dahin geschrieben hatte:
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Die Harmoniewechsel gleich zu Beginn waren origineller als alles, was die damalige Konkurrenz vorweisen konnte – oder, um mit McCartney zu sprechen: „Die Akkorde flossen nur so aus ihm heraus.“ Der Track dokumentiert auch, dass sie mit ihren gesanglichen Qualitäten ein neues Niveau erreicht hatten: Ihren wundervoll abgestimmten Harmoniegesang, der dem der Everly Brothers nicht unähnlich ist, nahmen Lennon und McCartney mit nur einem Mikro auf.
Auf dem Album: „A Hard Day’s Night“
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25. „Here, There And Everywhere“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 14., 15. und 17. Juni 1966, Veröffentlicht: 28.Juli 1966, nicht als Single veröffentlicht
„Revolver“ ist ein Paradoxon: Das Album markiert die Phase, in der die Beatles die experimentellen Möglichkeiten des Studios entdeckten – gleichzeitig gibt es hier einige der schlichtesten, unprätentiösesten Songs im ganzen Beatles-Katalog. Allen voran der Love-Song „Here, There And Everywhere“, den McCartney in Lennons Villa in Weybridge schrieb, während er darauf wartete, dass Lennon aus dem Bett stieg. „Ich saß in einer Liege am Pool, hatte meine Gitarre dabei und spielte eine Melodie in E-Dur. Ich hatte schnell ein paar Akkorde zusammen, und als er endlich aufstand, hatte ich den größten Teil schon geschrieben. Wir gingen rein und gaben ihm den letzten Schliff.“ …
McCartney gab das „Pet Sounds“-Album der Beach Boys als maßgeblichen Impuls für den Song an. Er hatte das Album im Mai bei einer „Listening Party“ in London gehört und schwärmte in höchsten Tönen. Aus der Akkordfolge – drei Tonarten werden angespielt, ohne sich im weiteren Verlauf auf eine festzulegen – ließ sich definitiv Brian Wilsons Einfluss heraushören. Und die stimmlichen Modulationen (besonders in der Zeile „changing my life with a wave of her hand“) lautmalten die Lyrics, die von der Schauspielerin Jane Asher, McCartneys damaliger Freundin, inspiriert waren. (Das Paar, durch ihre Karrieren über längere Phasen getrennt, sollte im Juli 1968 die Beziehung beenden.) …
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Als George Martin den Song hörte, schlug er Background-Vocals in Stile eines Barbershop-Quartetts vor. „Die Harmonien waren simpel. Es gab keine Kniffe, keinen Kontrapunkt – nur die gemeinsamen Harmonien zwischen Lead- und Background-Vocals. Es war einfach, aber sehr effektiv.“ McCartney nannte es mehrfach einen seiner besten Songs – eine Einschätzung, die auch von Lennon geteilt wurde. Die Band arbeitete im Studio drei Tage an der Nummer – für damalige Verhältnisse ungewöhnlich lang. Nach dem Einspielen des Rhythmus-Tracks wurden die Backing Vocals eingesungen, schließlich legte McCartney die Lead darüber. Wobei er für seinen Gesang ein unerwartetes Vorbild fand: „Ich erinnere mich, wie ich im Studio dachte: ,Ich werde einfach wie Marianne Faithfull singen – und niemand wird mir je auf die Schliche kommen. Ich sang fast im Falsett und legte dann noch eine zweite Gesangsspur darüber.“
Auf dem Album: „Revolver“
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24. „Happiness Is A Warm Gun“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 23. – 25. September 1968, Veröffentlicht: 22. November 1968, nicht als Single veröffentlicht
Lennon nannte diese erotisch angehauchte Mini-Suite einen der besten Songs, die er geschrieben habe. „Ich liebe ihn“, sagte er dem ROLLING STONE 1970. „Der Song scheint alle möglichen Arten von Rockmusik zu streifen.“ Im Booklet der „Anthology“ ist das beschriftete Textblatt abgebildet, auf dem Lennon die drei Sektionen von „Happiness“ anreißt: „Dirty Old Man“, „The Junkie“ und „The Gunman (Satire of 50’s R&R)“. Der Titel wurde inspiriert durch die Headline in einem Waffen-Magazin, das George Martin für Lennon aufbewahrt hatte. Die Überschrift lautete: „Happiness Is A Warm Gun“ und war eine Anspielung auf den Bestseller des Cartoonisten Charles „Peanuts“ Schulz, „Happiness Is A Warm Puppy“ …
„Mein erster Eindruck war“, so Lennon: „Wie kann man so was Krankes sagen? Eine warme Knarre bedeutet doch, dass man irgendetwas gerade erschossen hat.“ Lennon betonte später, dass der Song „definitiv nicht von Heroin handelt“, obwohl die Drogen-Anspielungen unüberhörbar sind. Das Demo, das er im Mai aufgenommen hatte, bestand nur aus der „Junkie“-Sequenz („I need a fix ’cause I’m going down“), die später im Mittel-Teil landete. Als der Song im September offiziell aufgenommen wurde, nahm Lennon bereits Heroin. Seit er im Juli mit Yoko in das Apartment gezogen war, das Ringo für sie gemietet hatte, waren beide an der Nadel. Die „Mother Superior“ im Text ist eine Verneigung vor Yoko, die Lennon gerne „Mother“ nannte …
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Zu diesem Zeitpunkt hatte „Happiness Is A Warm Gun In Your Hand“, so der ursprüngliche Titel, bereits seine finale Form angenommen. Die surrealen Zeilen in „Dirty Old Man“ gingen auf ein bekifftes Gespräch mit Apples Pressechef Derek Taylor zurück. „Ate and donated to the National Trust“ etwa thematisiert die weit verbreitete Unsitte, die Notdurft an öffentlichen Plätzen zu verrichten. Die „Satire of 50’s R&R“ mit seinen klassischen Doo-Wop-Akkordwechseln war eine veränderte Version des Demos, das Lennon bereits für „I’m So Tired“ benutzt hatte. Die Beatles brauchten 70 Takes, um in zwei Nächten die kniffligen Tempowechel in den Griff zu bekommen. McCartney war auf das Resultat besonders stolz: „Happiness“ sei für ihn einer der besten Tracks des „White Album“.
Auf dem Album: „The Beatles“
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23. „Abbey Road Medley“ (You Never Give Me Your Money/Sun King/Mean Mr. Mustard/Polythene Pam/She Came in Through the Bathroom Window/Golden Slumbers/Carry That Weight/The End)
Autor: McCartney/Lennon, Aufgenommen: 6. Mai – 18. August 1969, Veröffentlicht: 26. September 1969, nicht als Single veröffentlicht
Die ursprüngliche Idee stammte von McCartney, doch George Martin reklamiert für sich, dass die letzte Großtat der Beatles – ein achtteiliges Medley, das die zweite Seite von „Abbey Road“ dominiert – auf seine Initiative zurückzuführen sei. „Ich wollte, dass John und Paul ernsthafter an ihre Musik herangingen. Und Paul war für Experimente immer offen.“ So war es denn auch McCartney, der am 6. Mai das erste Teilstück in Angriff nahm: „You Never Give Me Your Money“, eine nur oberflächlich fröhliche Abrechnung mit den geschäftlichen Albträumen der Apple Corporation. Lennon zeigte an dem Medley weit aus weniger Interesse, auch wenn er mit „Mr. Mustard“ und „Polythene Pam“ zwei der exzentrischsten Teile besteuerte. Er denunzierte das ganze Konzept später im ROLLING STONE als „Schrott“ und sagte, dass „keiner der Songs etwas miteinander zu tun hatte. Es gab keinen Faden – außer der Tatsache, dass wir sie zusammengepappt haben.“ In gewisser Weise hatte er natürlich Recht …
Die 16-minütige Sequenz, die von „Money“ über Lennons stimmungsvoll gehauchtes „Sun King“ und dem souligen „She Came In Through The Bathroom Window“ bis zum Wiegenlied „Golden Slumbers“ mäandert, um dann in „The End“ von einer McCartneyschen Lebensweisheit abgerundet zu werden („The love you take/ Is equal to the love you make“), hat keinen erzählerischen Zusammenhang. Und gleichzeitig zeigt das Medley die Beatles at their best: verspielt, behutsam, bitter – und immer durch ihre Musik miteinander verbunden. Die Gesangsharmonien sind atemberaubend komplex, die Gitarren selbstbewusst und auf den Punkt präzise. „Irgendwie hielten wir noch immer zusammen“, so McCartney, „auch wenn wir mit heftigen Strudeln zu kämpfen hatten. Doch selbst an unseren Tiefpunkten hatten wir noch immer Respekt füreinander.“ Die einzelnen Teile des Medleys wurden im Juli und August aufgenommen, ohne festgelegte Reihenfolge. („Mean Mr. Mustard“ stammte bereits von Anfang 1968.) Wenn es in diesen Fragmenten ein übergeordnetes Thema gab, dann war es sicher ihre finanzielle Situation, die sie fast in den Bankrott trieb und mental auslaugte. Lennon hatte sich dafür starkgemacht, den Rolling-Stones-Manager Allen Klein zu engagieren, um das Chaos bei Apple zu entwirren. McCartney bestand auf Lee und John Eastman, den Vater und Bruder seiner künftigen Frau …
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McCartney gab später zu, dass er mit „You Never Give Me Your Money“ direkt „gegen Allen Klein und seine Versprechungen schoss, die nie eingehalten wurden“. In „Golden Slumbers“ (ursprünglich ein Wiegenlied aus dem 17. Jahrhundert) und „Carry That Weight“ greift McCartney dann noch einmal das Thema der mentalen Erschöpfung auf. „Letztlich bin ich ein positiver Mensch“, sagte er, „aber es gibt Momente, an denen kann ich nicht mehr positiv sein. Und das war so ein Moment: „carry that weight a long time – like forever!“ Die sich kreuzenden Gitarren-Soli in „The End“ waren das Resultat eines gemeinsamen Brainstormings. Lennon schlug vor, dass er, Harrison und McCartney sich die Licks zuspielen sollten. McCartney sagte, er wolle anfangen. Und so hört man nach Ringos einzigem Solo auf einer Beatles-Aufnahme drei flammende Breaks (Harrison in der Mitte, Lennon am Ende), die live im Studio aufgenommen wurden – das letzte gemeinsame Fanal einer Band, die nur noch Monate von ihrer Auflösung entfernt war. „Mir war nicht bewusst“, sagte Harrison über „Abbey Road“, „dass es unsere letzte Platten sein würde, obwohl ich schon das Gefühl hatte, dass wir am Ende einer Entwicklung angekommen waren.“ „Auf den Trümmern dieses ganzen Wahnsinns“, erklärte Starr später dem ROLLING STONE, „spielten wir noch einmal eine Nummer ein, die zu den besten gehört, die die Beatles je gemacht haben.“
Auf dem Album: „Abbey Road“
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22. „Eleanor Rigby“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 28. und 29. April, 6. Juni 1966, Veröffentlicht: 28. Juli 1966, B-Seite (Yellow Submarine)
Als McCartney den Song erstmals seinem Nachbarn Donovan vorspielte, lautete die erste Textzeile noch: „Ola Na Tungee/ Blowing his mind in the dark/ With a pipe full of clay“. McCartney tüftelte so lange an der Zeile, bis er eine akzeptable Alternative gefunden hatte: „… picks up the rice in the church where a wedding has been“. Erst zu diesem Zeitpunkt wurde ihm klar, dass der Song von einsamen Menschen handeln würde. Er erfand eine alternde Jungfer und einen Priester und beschrieb, wie sich ihrer beider Leben an ihrem Begräbnis überschneiden. Wie McCartney auf den Namen seiner Protagonistin stieß, ließ sich nie eindeutig klären. Laut McCartney nahm er den Vornamen von Eleanor Bron, der Hauptdarstellerin in „Help!“, und den Nachnamen von einem Firmenschild, das er in Bristol gesehen hatte: Rigby & Evans Ltd., Wine and Spirit Shippers. Lionel Bart, der Komponist des Musicals „Oliver!“, behauptet indes, er sei mit McCartney über einen Londoner Friedhof gegangen, als sie auf einem Grabstein „Eleanor Bygraves“ lasen. McCartney habe behauptet, dass er diesen Namen für einen neuen Song nutzen wolle …
Paradoxerweise wurde in den 80er Jahren der Grabstein einer „Eleanor Rigby“ gefunden, der sich im Friedhof von St. Peter in Woolton befand – also nur ein paar Schritte entfernt von dem Ort, wo sich Lennon und McCartney nach einem Auftritt von Lennons Quarry Men kennengelernt hatten. „Es muss entweder ein krasser Zufall sein“, so McCartney, „oder irgendwo in meinem Unterbewusstsein geschlummert haben.“ Nachdem McCartney die Melodie in Jane Ashers Apartment fertiggestellt hatte, trommelte er Lennon, Harrison, Starr und Lennons Jugendfreund Pete Shotton zusammen, um an dem unvollendeten Text zu feilen. An einige Resultate können sich alle Beteiligten erinnern: dass der Priester zunächst „Father McCartney“ hieß, bis sie im Telefonbuch auf einen „McKenzie“ stießen; dass Starr die Zeile „darning his socks in the night“ beisteuerte – und dass es Shottons Idee war, den Text mit einem Begräbnis abzuschließen, bei dem sich die Wege der Protagonisten kreuzen. Darüber hinaus gibt es aber gravierend unterschiedliche Darstellungen über die Entstehung des Songs. „Die erste Zeile kam von ihm“, sagte Lennon 1980 dem Journalisten David Sheff, „und der Rest überwiegend von mir. Es war Pauls Baby, aber ich habe bei der Erziehung des Kindes geholfen.“ McCartney dagegen ist sich sicher, dass „John mit ein paar Worten geholfen hat, dass es aber 80:20 auf meinem Mist gewachsen ist“ …
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Keiner der Beatles ist instrumental auf der Aufnahme vertreten. McCartney singt die Lead-Vocals, während Lennon und Harrison den Harmoniegesang übernehmen. Die Musik stammt von zwei Streich-Quartetten, die von George Martin arrangiert wurden. „Paul war zunächst von dem Vorschlag wenig begeistert“, so Ton-Ingenieur Geoff Emerick. „Er glaubte, dass der Sound abstoßend und unpassend sein würde.“ Als er schließlich doch zustimmte, bestand er darauf, dass die Streicher „Biss“ haben müssten. Emerick versuchte daraufhin, genau den Klang einzufangen, der beim Aufsetzen des Bogens auf der Saite entsteht. Statt das Oktett mit nur einem Mikro aufzunehmen, platzierte er je eins direkt an jedem Instrument – und erzielte so eine Präsenz, die in der Aufnahmetechnik, ob Klassik oder Rock, bislang ungehört war. „Die Musiker hassten es, dass ich mit dem Mikro so nah ranging, weil sie Angst hatten, man könne dann ihre individuellen Fehler hören.“ Die Meditation über Altern und Einsamkeit sollte für den Songschreiber McCartney ein wichtiger Einschnitt werden. In späteren Jahren erzählte er, dass er beim Schreiben von „Eleanor Rigby“ darüber nachdachte, wie wohl seine Musik klingen würde, wenn das Kapitel Beatles einmal abgeschlossen sei. „Dies könnte ein gangbarer Weg sein“, erinnerte er sich. „Ich sah mich selbst in einer Fischgrät-Jacke mit den Lederflicken am Ellenbogen, dazu eine Pfeife. Ich würde ein ernsthafter Komponist sein, kein Pop-Schreiber mehr. “
Auf dem Album: „Revolver“
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21. „All You Need Is Love“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 14., 19., 23., 24. und 25. Juni 1967, Veröffentlicht: 30. Juni 1967, 8 Wochen, Nr. 1
Die erfolgreichen Aufnahmen zu „Sgt. Pepper“ gerade hinter sich, setzten die Beatles umgehend zu neuen kreativen Höhenflügen an. Als sie die Einladung erhielten, bei der Fernsehshow „Our World“ teilzunehmen – einer zweistündigen Sendung mit internationaler Besetzung, die am 25. Juni simultan in 24 Länder ausgestrahlt wurde –, machten sie sich umgehend an die Arbeit. Ihr Beitrag zu der Show sollte ein neuer, aufwändig orchestrierter Song namens „All You Need Is Love“ werden. „Brian Epstein kam aufgeregt ins Studio und erklärte, dass wir England in diesem weltweiten TV-Programm repräsentieren würden“, erinnert sich George Martin …
„Und dass wir nicht einmal zwei Wochen Zeit hätten.“ Lennon ließ sich nicht aus der Ruhe bringen: „Mein Gott, wird es wirklich so eng?“, witzelte er einige Tage vor der Ausstrahlung. „Dann wird es wohl Zeit, dass wir mit dem Schreiben anfangen.“ Die Beatles hatten im Studio einen Basic Track aufgenommen, doch die Vocals wurden live bei der Ausstrahlung gesungen. Ebenfalls live war das Orchester und ein Chor, dem unter anderem Mick Jagger, Keith Richards, Marianne Faithfull, Donovan und Keith Moon angehörten. Martins Arrangement sollte dem internationalen Charakter der Veranstaltung Rechnung tragen: In die Einleitung hatte er einen Schnipsel der „Marseillaise“ eingebaut, während Bachs „Brandenburg Concerto Nr. 2“, das Traditional „Greensleeves“, Glenn Millers „In The Mood“ und sogar der Refrain von „She Loves You“ ins Finale geschmuggelt wurden …
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Der Hauptteil des Songs war dagegen nur auf den ersten Blick simpel. „John hat wirklich ein Gespür für originelle Tempowechsel“, sagte Harrison dem ROLLING STONE. „Bei ,All You Need Is Love‘ wogt es ständig zwischen 3/4- und 4/4-Takt hin und her, wobei einige Beats einfach ausgelassen werden.“ Auch der Text bereitete McCartney etwas Kopfzerbrechen: „Der Refrain ist kein Problem, aber die Zeile ,Nothing you can do/ But you can learn how to be you in time/ It’s easy‘ ist etwas vertrackt. Ich habe sie auch nie so recht verstanden.“ Mit „All You Need Is Love“ lieferte Lennon zum ersten Mal einen Song ab, dessen Titel so griffig war, dass er auch von einem sloganversierten Werbe-Guru hätte stammen können. „Ich mag Slogans“, sagte Lennon. „Ich mag Werbung. Ich mag Fernsehen.“
Auf dem Album: „Magical Mystery Tour“
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20. „Please Please Me“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 11. September und 26. November 1962, Veröffentlicht: 28. Februar 1963, 2 Wochen, Nr. 20
Es war eine Kombination aus Bing Crosby und Roy Orbison.“ So versuchte Lennon die Einflüsse von „Please Please Me“ zu benennen, die als erste Beatles-Single auf Platz 1 der britischen Charts schoss. Lennon schrieb den Song im Haus von Tante Mimi. „Ich erinnere mich noch genau an den Tag, sogar an die rosarote Tagesdecke auf dem Bett. Und ich hörte ,Only The Lonely‘ oder irgendwas anderes von Roy Orbison. So kam der Song zustande. Und gleichzeitig liebte ich immer das Wortspiel in ,Please, lend me your ears to my pleas‘ (aus Bing Crosbys 1932er-Song „Please“). Ich fand die doppelte Benutzung von ,please‘ einfach clever.“ „Wenn man sich den Song weitaus langsamer vorstellt“, so McCartney, „hat man eine ungefähre Vorstellung, wie John ihn geplant hatte. Alles war da: die betont hohen Noten, alle Kennzeichen eines charakteristischen Orbison-Songs.“ „Please Please Me“ war einer der Titel, die die Beatles George Martin bei ihrer zweiten Abbey-Road-Session am 11. September 1962 vorspielten. Starr erinnert sich, dass „ich bei der Aufnahme die Bass-Drum spielte und in einer Hand Maracas und in der anderen ein Tamburin hielt“ …
Er vermutet, dass dieser Fauxpas der Grund war, warum Martin zu „Love Me Do“, der folgenden Aufnahme, lieber einen Session-Drummer ins Studio holte. Martin war auch nicht angetan von dem langsamen Tempo und nannte „Please Please Me“ einen „Trauergesang“. Er schlug vor, das Tempo zu verschärfen und an den Arrangements weiter zu arbeiten. Überhaupt war er von den Beatles nicht übermäßig beeindruckt. „Ihre Versuche als Songschreiber waren Mist“, sagte er später einmal. „Als ich ihre ersten Songs hörte, dachte ich mir: ,Mein Gott, wo kann ich bloß einen guten Song für sie finden?‘ Die erste Single, die wir veröffentlichten, war ,Love Me Do‘ und ,P.S. I Love You‘ – und das war nicht gerade Cole Porter.“ „Love Me Do“ entpuppte sich trotzdem als Hit, und die Beatles wurden umgehend ins Studio bestellt, um an einem Nachfolger zu arbeiten. Als sie am 26. November wieder in der Abbey Road waren, schlug Martin ihnen einen Song namens „How Do You Do It“ von Mitch Murray vor. Die Beatles versuchten ihn zu überreden, es lieber mit eigenem Material zu versuchen, aber Martin hörte nichts, das qualitativ an den Murray-Song herangereicht hätte. Die Beatles schlugen erneut „Please Please Me“ vor und wiesen darauf hin, dass sie Martins Vorschlag gefolgt seien, das Tempo erhöht und noch eine Mundharmonika eingebaut hätten, die Harrisons Eingangs-Riff aufgreifen würde …
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Die Beatles selbst waren überzeugt, dass sie inzwischen ein neues Niveau erreicht hatten. „Wir hatten das Tempo erhöht“, so McCartney, „und plötzlich war er da – dieser treibende Beatles-Spirit.“ Lennon erzählte später, dass „wir die Nummer nicht schnell genug aufnehmen konnten, als wir einmal im Studio waren, weil wir so euphorisiert waren“. Und Starrs stoisch klopfender Back-Beat überzeugte Martin auch, dass er sich in den Qualitäten der Drummers wohl verschätzt hatte. Die neue Version hatte eine magnetische Energie, zudem auch eine ungewohnt sexuelle Aggressivität. (Vielleicht zu aggressiv: Capitol weigerte sich, die Single in den USA zu veröffentlichen, da man gehört hatte, dass man den Text als Hymne auf Oral-Sex verstehen könne. Stattdessen erschien „Please Please Me“ auf dem Vee-Jay-Label in Chicago.) Als die Band ihre Tracks eingespielt hatte, meldete sich Martin über das Studio-Intercom: „Gentlemen, ich glaube, Sie haben Ihre erste Nummer eins.“ Er sollte Recht behalten: „Please Please Me“ war der erste von vier aufeinanderfolgenden Nr.-1-Hits und markierte den Beginn der Beatlemania in England. Die Single verkaufte sich so blendend, dass Brian Epstein die laufende Tour unterbrach, um sie für ihr Debütalbum ins Studio zu schicken. Am 11. Februar kamen sie für drei dreistündige Sessions zurück in die Abbey Road und nahmen „Please Please Me“ auf – benannt nach ihrem aktuellen Hit.
Auf dem Album: „Please Please Me“
Copyright: K & K Ulf Kruger OHG/Redferns
19. „Lucy In The Sky With Diamonds“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 28. Februar – 2. März 1967, Veröffentlicht: 30. Mai 1967, nicht als Single veröffentlicht
Lennon legte immer wert auf die Feststellung, dass „Lucy In The Sky With Diamonds“ kein Drogen-Song sei. 1970 beteuerte er gegenüber dem ROLLING STONE: „Ich schwöre zu Gott, ich schwöre zu Mao oder wem auch immer: Mir war nicht bewusst, dass der Songtitel ,LSD‘ buchstabiert werden kann.“ Die Inspiration sei vielmehr ein Bild gewesen, das sein vierjähriger Sohn Julian von Lucy O’Donnell gemalt habe, die in der Vorschule neben ihm saß. „Er hatte im Hintergrund ein paar Sterne gemalt und nannte das Ganze ,Lucy In The Sky With Diamonds‘. So einfach ist es, das ist die Geschichte.“ Der Song lebt von Lennons Faible für Lewis-Carroll-ähnliche Kinderreime …
Lennon lieferte die „kaleidoscope eyes“, McCartney dachte sich „cellophane flowers“ und „newspaper taxis“ aus – und im Nu hatten sie einen psychedelischen Reim. „Die Bilder stammten aus ,Alice in Wonderland‘“, räumte Lennon 1980 ein. „Da ist Alice im Boot. Dann kauft sie ein Ei, das auf einmal Humpty Dumpty ist. Die Frau in dem Geschäft verwandelt sich in ein Schaf, und gleich im nächsten Moment rudern sie im Boot fort.“ In seiner Villa in Weybridge, wo er den Song schrieb, verbrachte Lennon die meiste Zeit allein, eingelullt von Drogen, Fernsehen und dem dumpfen Gefühl, dass seine Ehe nicht mehr zu retten war. Und doch war „Lucy In The Sky With Diamonds“ in dieser Situation auch ein Zeichen der Hoffnung für ihn …
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„Es war das Bild einer weiblichen Person, die mich irgendwann retten würde. Und die Person war dann Yoko – obwohl ich sie damals noch gar nicht kannte.“ Lucy O’Donnell starb im September 2009, gerade einmal 46 Jahre alt. Julian Lennon verneigte sich vor seiner ehemaligen Klassenkameradin, indem er kurz darauf eine Benefiz-Single namens „Lucy“ veröffentlichte. Als sie als Teenager zum ersten Mal „Lucy In The Sky With Diamonds“ hörte, erzählte sie ihren Freunden, dass sie die besagte Lucy sei. Man glaubte ihr nicht und belehrte sie, dass der Song von LSD handele. Lucy wollte sich nicht streiten, „weil es mir peinlich war, nicht zu wissen, was LSD überhaupt war“.
Auf dem Album: „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“
Copyright: David Redfern/Redferns
Möglicherweise beginnt auch die Kunstform des Samplens mit dieser Aufnahme. Im Januar 1966 nahm Lennon auf einem Trip das Buch „The Psychedelic Experience“ von LSD-Guru Timothy Leary zur Hand, das letztlich nur eine Fortführung buddhistischer Konzepte (Re-Inkarnation, Aufgabe des Ego) ist. Lennon schaltete sein Bandgerät an, las Passagen aus dem Buch vor (unter anderem die Beschreibung eines außerkörperlichen Zustands) – und begann schon bald mit dem Schreiben eines Songs, der diese Leary-Zitate beinhaltete. Selbst der Arbeitstitel – „The Void“ – stammte aus „The Psychedelic Experience“. Die Beatles gaben ihr Bestes, um Lennons Visionen im Studio umzusetzen. Sie brauchten nur drei Versuche, um sich auf den zugrundeliegenden Rhythmus-Track zu einigen. (McCartney hatte die ungewöhnlichen Schlagzeug-Figuren vorgeschlagen.) Die meisten der surreal klingenden Overdubs wurden in der Nacht vom 6. April und am Nachmittag des 7. April produziert – in gerade einmal zehn Stunden. Es gab keine Tonquelle, die nicht bis zur Unkenntlichkeit verfremdet wurde, sei es das rückwärts abgespielte Gitarrensolo, das schwebende Dröhnen von Harrisons Sitar oder Lennons Stimme, die gerade in einen anderen Bewusstseins- zustand zu taumeln schien …
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Starrs Tom-Toms klangen plötzlich wie Tablas, ein Mellotron suggerierte Flöten und Streicher – und der Sound gackernder Seemöven stammte entweder von einem lachenden McCartney oder aber dem Holz eines geklopften Gitarrenkorpus’. Lennon selbst wollte seine Stimme völlig entstellt hören: „Sie sollte so klingen wie der Chant des Dalai Lama, der auf einem weit entfernten Berggipfel sitzt.“ Toningenieur Geoff Emerick erzielte den gewünschten Effekt, indem er Lennons Stimme durch die rotierenden Lautsprecher einer Leslie-Box schickte, die an eine Hammond-Orgel angeschlossen war. „Das klingt verdammt großartig“, rief Lennon begeistert, als er das Resultat zum ersten Mal hörte. Auch McCartney war von diesem Sound sofort überzeugt und beschrieb ihn mit den Worten: „It’s the Dalai Lennon!“ Bis zum letzten Overdub am 22. April wurde der Song auf den Aufnahmeprotokollen des Studios unter dem Titel „Mark 1“ geführt. Es war wieder einmal Starr, der schnell mit einer Alternative zur Stelle war (wobei der Song-Titel in den Lyrics nun allerdings überhaupt nicht aufgegriffen wird): „Tomorrow never knows“ war – wie „A Hard Day’s Night“ – eine seiner verbalen Verballhornungen (gemeint war eigentlich „tomorrow never comes“). Aber er sollte sich täuschen. „Tomorrow Never Knows“ kam – mit viel Hall und aller Macht, ekstatisch und in Technicolor, am Ende von „Revolver“.
Auf dem Album: „Revolver“
Copyright: Michael Ochs Archives/Getty Images
17. „Ticket To Ride“
Autor: Lennon/McCartney, Aufgenommen: 15. Februar 1965, Veröffentlicht: 25. April 1965, 5 Wochen, Nr. 2
Lennon behauptete einmal, dass „Ticket To Ride“ – der erste Track, der für „Help!“ aufgenommen wurde – „eine der frühesten Heavy Metal-Aufnahmen“ gewesen sei. „Es war ein etwas anderer Sound, weil er für die damalige Zeit verdammt heavy war“, sagte Lennon 1970 dem ROLLING STONE. „Wenn man sich die Charts der damaligen Zeit anschaut – und dann ,Ticket To Ride‘ nochmal hört, dann ist die Nummer eigentlich gar nicht so übel. Es passiert etwas, es ist heavy, die Drums sind heavy – und genau deswegen mag ich sie.“ Nachdem er auf „A Hard Day’s Night“ und „Beatles For Sale“ vorwiegend Akustik-Gitarre gespielt hatte, packte Lennon für „Ticket To Ride“ wieder seine E-Gitarre aus. Eine glockenartige Melodie liefert zu Beginn einen psychedelischen Schnörkel, doch dann grooven sich die knirschenden Gitarren über Ringos unbeirrbaren Beat ein. Der Sound dürfte von Bands wie den Stones, Kinks und The Who beeinflusst sein, die zu diesem Zeitpunkt in England geradezu explodierten, und doch waren die Beatles der Konkurrenz noch immer einen Schritt voraus …
„Ticket To Ride“ war die erste Beatles-Aufnahme, die die magische Drei-Minuten-Grenze durchbrach, und Lennon nutzte die Zeit für ein Wechselbad der Gefühle. Die Lyrics und sein Gesang schwanken zwischen Unsicherheit und Verzweiflung, und in der Bridge schleudert er seine ganze aufgestaute Empörung heraus: „She oughta think right/ She oughta do right by me“. Eine andere Überraschung gibt es am Ende, wo sowohl Melodie als auch Rhythmus komplett kippen, während Lennon dazu mehrfach die Zeile „My baby don’t care“ singt. „Ich glaube fast“, so McCartney, „dass wir als Erste diese Idee hatten, zum Ende eines Songs noch einmal eine ganz neue Melodie einzuführen. Damals war das geradezu radikal.“ Für die Beatles war der Prozess der Plattenaufnahme inzwischen eine zusätzliche Herausforderung geworden. Es ging nicht mehr darum, einen Song auf Vinyl festzuhalten, sondern die moderne Studiotechnik optimal auszunutzen. Statt einen Song live aufzunehmen, den besten Take auszuwählen und noch einige Overdubs drüberzulegen, begann man nun mit einem Rhythmus-Track, auf dessen Basis die Arrangements entwickelt wurden. Angesichts dieser aufwändigen Methode ist es ein Wunder, dass „Ticket To Ride“ in gerade mal drei Stunden im Kasten war. Die Aufnahme sollte so etwas wie ihre Visitenkarte werden:
Copyright: Michael Ochs Archives/Getty Images
Der Titel ihres letzten „BBC Radio Special“ wurde kurzfristig geändert in: „The Beatles (Invite You To A Ticket To Ride)“. Lennon sollte Zeit seines Lebens behaupten, dass McCartneys Beitrag zu diesem Song minimal gewesen sei, während McCartney überzeugt ist, dass sie bei einer dreistündigen Session in Lennons Villa „den Song gemeinsam schrieben“. Die Unstimmigkeit mag auch erklären, warum es so viele Interpretationen zur Bedeutung des Songtitels gibt: Eine offensichtliche Erklärung besagt, dass es sich um ein Zug-Ticket handelt. (Als die Beat- les im November ’65 einen Promo-Clip zum Song filmten, konnte man im Hintergrund überdimensionale Fahrscheine sehen.) Der englische Journalist Don Short, der mit den Beatles auf Tour war, behauptet allerdings, dass der Ausdruck aus ihrer Zeit auf St. Pauli stamme und nichts anderes als „Bock-Schein“ bedeute: „Die Prostituierten in Hamburg mussten sich regelmäßig von der Gesundheitsbehörde bescheinigen lassen, dass sie keine Geschlechtskrankheiten hatten – und bekamen dann diesen Schein. John bestätigte mir, dass er dafür den Ausdruck ,ticket to ride‘ erfunden habe.“ McCartney wiederum hatte eine unschuldigere Erklärung: Es sei nur eine Anspielung auf das Städtchen Ryde auf der Isle of Wight gewesen. Und noch eine andere Möglichkeit: Am Tag der Aufnahme von „Ticket To Ride“ bestand Lennon seine Führerscheinprüfung.
Auf dem Album: „Help!“
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16. „I Saw Her Standing There“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 11. Februar 1963, Veröffentlicht: 6. Februar 1964, B-Seite (Matchbox)
Die Anfänge des Songs liegen in einer Nacht des Jahres 1962, als McCartney zu seiner Wohnung in Liverpool fuhr. „Der Text, der mir durch den Kopf ging, fing an mit: ,She was just 17/ She’d never been a beauty queen‘.“ Doch als er das Fragment am nächsten Tag Lennon vorspielte, „verzogen wir an dieser Stelle beide den Mund und sagten: ,Nein, nein, nein, ‚beauty queen‘ geht definitiv nicht.‘ Wir gingen also durch das Alphabet: between, clean, lean, mean…“ Am Ende einigten sie sich auf „you know what I mean“, das laut McCartney deshalb den Zuschlag bekam, „because you don’t know what I mean“. Obwohl Lennons Beitrag unklar blieb („Ich schrieb einen Teil des Textes“, sagte er), ist „I Saw Her Standing There“ ein klassisches Beispiel dafür, wie das songschreibende Lennon-McCartney-Tandem immer mehr Fahrt aufnahm. Ein Foto aus dem September 1962, geschossen von McCartneys Bruder Mike, zeigt die beiden im Wohnzimmer von Pauls Haus: Beide haben Akustikgitarren und schauen sich an, Lennon trägt die Brille, die er so hasste, und kritzelt Texte in sein „Liverpool Institute“-Notizbuch. Die Vorlage für den Song lieferte eine von McCartneys Freundinnen, die Tänzerin Iris Caldwell, die tatsächlich 17 war, als er sie im Dezember 1961 zum ersten Mal sah:
Im „Tower Ballroom“ in New Brighton tanzte sie Twist – in Netzstrümpfen! „Es wurde nie wirklich ernst. Ich tanzte damals in verschiedenen Theatern in der ganzen Umgebung, aber wenn ich wieder zu Hause war, gingen wir zusammen aus.“ sagt sie. „Es gab keine Versprechungen und keine Liebesschwüre,“ Caldwells Bruder war Rory Storm von „Rory and the Hurricanes“, deren Drummer – Ringo Starr – die Band im August 1962 verließ, um bei den Beatles einzusteigen. Caldwell behauptet, dass McCartney den neuen Song eigentlich Storm schenken wollte, was aber Brian Epstein zu verhindern wusste. Unter dem Titel „Seventeen“ wurde der Song 1962 fester Bestandteil ihres Live-Repertoires, manchmal in zehnminütigen Versionen, die mit mehreren Soli gestreckt wurden. Bei der knalligen Bass-Melodie bediente sich McCartney bei Chuck Berrys ‘61er-Single „I’m Talking About You“, die auch bei den Beatles-Auftritten nicht fehlen durfte.“ Nachdem sich EMI entschlossen hatte, ein Album der Beatles in Auftrag zu geben, hatte George Martin zunächst überlegt, ob er das Album live im Cavern Club vor heimischem Publikum aufnehmen solle. Auch wenn man sich entschloss, das Album lieber in den EMI-Studios in Abbey Road aufzunehmen, bestand das Material doch überwiegend aus den eingespielten Live-Klassikern. Um gleich die gewünschte Atmosphäre zu erzeugen, beginnt das Album mit „I Saw Her Standing There“, eingeleitet durch einen atemlos klingenden McCartney, der die Nummer anzählt: „one-two-three-faw“. Die ungestüme Hymne auf die Jugend wurde im Studio noch durch Klatschen und „Ooohs“ aufgepeppt, die später auch auf Singles wie „She Loves You“ auftauchen sollten …
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Die Aufnahme, die Harrisons erstes Solo beinhaltet, wurde als B-Seite für „I Want To Hold Your Hand“ ausgewählt, die in Amerika an die Spitze der Charts marschierte. „I Saw Her Standing There“ war auch einer der fünf Songs, die am 5. Februar 1964 in der Ed Sullivan Show von 73 Millionen Amerikanern gesehen wurden. Lennon beschreibt den Titel als „das, was Paul nun mal gut drauf hatte – und was George Martin gerne einen ,Schnellimbiss‘ nannte“, wobei der Song in Lennons späterem Leben auch noch eine andere Bedeutung gewinnen sollte. Im Jahr 1974 schlossen Lennon und Elton John eine Wette ab: Sollte Lennons „Whatever Gets You Thru The Night“ (auf dem Elton Klavier spielt) die Nr. 1 der amerikanischen Charts werden, würde Lennon bei einem Elton-Auftritt auf die Bühne kommen. Als der Song dann tatsächlich an die Spitze der Charts marschierte, hielt er sein Versprechen und kam am 28. November auf die Bühne des Madison Square Garden. Vor dem abschließenden Song sagte Lennon: „Wir dachten, wir sollten vielleicht eine Nummer zum Besten geben, die eine meiner alten Verlobten namens Paul geschrieben hat.“ Und sie beendeten das Konzert mit einer sprühenden Version von „I Saw Her Standing There“. „Ich wollte doch nur etwas Spaß und nochmal Rock’n’Roll spielen“, sagte Lennon später. Es sollte der letzte Song sein, den Lennon je auf einer Bühne spielte.
Auf dem Album: „Please Please Me“
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15. „Help!“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 13. April 1965, Veröffentlicht: 5. Juli 1965, 10 Wochen, Nr. 2
„Help“ sollte der Titeltrack des zweiten Beatles-Films werden – eine Slapstick-Action-Komödie, die ursprünglich für Peter Sellers konzipiert worden war. Komödie hin oder her: Der verzweifelte Unterton war nicht zu überhören, vor allem in Zeilen wie „And now my life has changed in oh-so-many ways/ My independence seems to vanish in the haze“. „Ich meinte es wirklich so“, sagte Lennon 1970 dem ROLLING STONE. „Die ganze Beatles-Chose wuchs mir über den Kopf.“ Spätestens 1965 war Lennon von dem ununterbrochenen Touren, Aufnehmen und Filmen erschöpft. Und wenn er einmal zu Hause war, fühlte er sich in der Villa außerhalb Londons, die er mit Cynthia und Sohn Julian bewohnte, komplett isoliert. „Cynthia wollte ihn sesshaft machen“, so McCartney. „In dem Moment, als sie mir das sagte, wusste ich: Das ist der Kuss des Todes. Ich kannte meinen Freund. Das war das Letzte, was er wollte.“ …
Laut Harrison war Lennon „paranoid“, was sein Aussehen betraf. „Es war meine Fat-Elvis-Phase“, sagte Lennon selbst. „Ich aß und trank wie ein Schwein, ich war deprimiert – und schrie instinktiv nach Hilfe.“ Für McCartney sah die Situation völlig anders aus: Er blühte im Swinging London auf und war – ungeachtet einiger Affären – mit der Schauspielerin Jane Asher liiert, deren Familie ihm die Türen zur High Society öffnete. John „war definitiv eifersüchtig auf mich, weil er sich all die Sachen verkneifen musste. Es machten sich die ersten Risse in seinem Familienleben bemerkbar, aber ihm blieb nichts anderes übrig, als sie zu übertünchen.“ Lennon schrieb den größten Teil von „Help!“ zu Hause und holte dann McCartney zu Hilfe. Wie so oft traf man sich zu einer Songschreibe-Session in Lennons Musikzimmer und schloss den Song innerhalb weniger Stunden ab. Lennon hatte „Help!“ eigentlich als Midtempo-Ballade angelegt, aber die Beatles peppten das Arrangement im Studio auf – mit Harrisons Surf-Gitarre, Starrs donnernden Tom-Toms und den umgedrehten Call & Response-Vocals, die das Trademark des Songs werden sollten …
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Trotzdem räumte Lennon später ein, dass „ich die Aufnahme nicht übermäßig schätze. Wir haben sie zu schnell gespielt, damit sie kommerzieller wurde.“ Auch das Filmen machte nicht mehr so viel Spaß wie früher. „Der Film glitt uns aus den Händen“, so Lennon im „Playboy“. „Bei ,Hard Day’s Night‘ konnten wir noch mitreden. Aber bei ,Help!‘ konnte uns Dick Lester nicht vermitteln, was wir da eigentlich machten.“ Wobei alle Beatles eingestanden, dass das Problem nicht unbedingt bei Regisseur Lester lag. „Während der Dreharbeiten“, so Starr, „wurden Unmengen von Pot geraucht. Wenn man sich im Film unsere Gesichter anschaut, wird man viele rote Augen sehen. Wir rauchten schon zum Frühstück Gras“, so Lennon. „Niemand konnte mit uns kommunizieren. Wir waren in unserer eigenen Welt.“
Auf dem Album: „Help!“
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14. „She Loves You“
Autor: Lennon/McCartney, Aufgenommen: 1. Juli 1963, Veröffentlicht: 12. August 1963, 5 Wochen, Nr. 7
Als die Beatles am Nachmittag des 1. Juli 1963 in den EMI-Studios „She Loves You“ aufnehmen wollten, war plötzlich die Hölle los. Geoff Emerick, damals Assistent, später Ton-Ingenieur der Beatles, erinnert sich: „Die schreienden Mädchen, die normalerweise vor dem Eingang warteten, hatten die Tür eingeschlagen. Ganze Pulks liefen hysterisch durch die Gänge und wurden von Londoner Bobbys gejagt“. Die Unterbrechung hatte auch ihr Gutes, da die Beatles im Anschluss eine der überschäumendsten Pop-Singles aller Zeiten heraushauten. „Das Chaos“, so Emerick, „schien ihr Spiel auf ein neues Energie-Level zu katapultieren.“ Den Anfang von „She Loves You“ hatten Lennon und McCartney im Tourbus geschrieben – und wollten den Song eigentlich abends im „Turk’s Hotel“ in Newcastle abschließen. Der Knackpunkt in den Lyrics war die Einführung einer dritten Person, die das stereotype„I love you“-aufbrechen sollte …
Die Eingebung dazu stammte von Bobby Rydell, der gerade mit „Forget Him“ in England einen kleinen Hit hatte. „Es ist also eine andere Person, die diese Nachricht überbringt“, so McCartney. „Wir bauten eine Distanz ein. Es war nicht mehr einer von uns.“ Trotzdem fehlte noch immer etwas.„Der Song war fertig“, so Lennon, „aber wir brauchten noch ein zusätzliches Element. Also versuchten wir es mit ,yeah yeah yeah‘ – und es funktionierte. Ich weiß nicht mal, wo wir das zum ersten Mal gehört hatten. Lonnie Donegan benutzte es ständig – und Elvis in ,All Shook Up‘ auch.“ In McCartneys Elternhaus in Liverpool gaben sie dem Song den letzten Schliff. Pauls Vater schlug vor: „Es gibt doch schon so viele Amerikanismen. Wollt ihr es nicht mit ,yes, yes, yes‘ versuchen?“ „Du verstehst das nicht“, antwortete Paul. „Das würde nicht funktionieren.“ …
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Auch wenn der Sound von seiner rohen Direktheit lebt, dokumentiert die Aufnahme doch eine zunehmende Finesse: Um den Song mit einem Knall zu eröffnen, beginnt „She Loves You“ gleich mit dem Refrain – ein kleiner Kniff, den ihnen George Martin ans Herz gelegt hatte. Den Abschluss bildet ein eigentümlicher Akkord, der von Harrison stammte, von Martin aber zunächst als „kitschig“ abgelehnt wurde. „Aber ohne den Akkord passte es einfach nicht. Also ließen wir ihn drin, bis George am Ende doch überzeugt war“, so McCartney. Als die Beatles am 13. Oktober 1963 den Song in London erstmals auf der Bühne spielten, brachen alle Dämme: Die „Beatlemania“ war nicht mehr aufzuhalten. Die Band sollte im Lauf der kommenden Jahre von einem Triumph zum nächsten eilen, aber in England blieb „She Loves You“ die erfolgreichste Single des ganzen Jahrzehnts.
Auf dem Album: „Past Masters“
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13. „Revolution“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 10. und 11. Juli 1968, Veröffentlicht: 16. August 1968, B-Seite (Hey Jude)
Im Frühjahr 1968 war der Vietnamkrieg auf seinem Höhepunkt, Martin Luther King war ermordet worden und die Studenten in Paris hatten die Regierung in die Knie gezwungen. Als die Beatles Ende Mai das Abbey-Road-Studio betraten, um mit der Arbeit am „Weißen Album“ zu beginnen, stand zuoberst „Revolution“ auf der Agenda – der erste explizit politische Song, den die Beatles veröffentlichten. „Ich wollte ausdrücken, was ich über die Revolution dachte“, sagte Lennon 1970 dem ROLLING STONE. „Es war höchste Zeit. Als wir mit Brian (Epstein) unterwegs waren, kam ein Zeitpunkt, an dem wir uns entschlossen, auch Fragen zum Vietnam-Krieg zu beantwortet. Wir mussten Brian eintrichtern: ,Wir werden diesmal über den Krieg reden.‘“ …
Die erste Version von „Revolution“ war ein langsamer, bluesiger Shuffle, der den Titel „Revolution 1“ trug. (Die letzten sechs Minuten des Masterbandes waren ein aggressiver Jam, der später abgetrennt und als „Revolution 9“ veröffentlicht wurde.) Am 10. Juli versuchten sie es mit einer beschleunigten Version, die dann auf der B-Seite von „Hey Jude“ landete. Man hatte die Beatles im Studio bislang noch nie so hart rocken gehört, angefangen von Lennons siedend-heißem Gitarren-Intro (eine Referenz an Pee Wee Craytons Blues-Single „Do Unto Others“ von 1954) bis zu dem abschließenden Wutgeheul. „John wollte einen verzerrten Sound“, so Ton-Ingenieur Phil McDonald. „Die Gitarren wurden durch die Aufnahmekonsole gejagt, was technisch nicht gerade empfehlenswert ist, weil die einzelnen Kanäle überlastet werden. Zum Glück kriegten es die Studiotechniker nicht mit.“ …
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Der gravierendste textliche Unterschied zwischen den beiden Versionen besteht in einem einzigen Wort. „Revolution 1“ beinhaltet die Zeile: „When you talk about destruction/ Don’t you know that you can count me out … in.“ (Laut McCartney habe sich Lennon damit alle Türen offenhalten wollen.) Als die Beatles die Single-Version fertigstellten, wurde daraus ein eindeutiges „count me out“. Während die bürgerliche Presse Lennon feierte, war die Linke wenig beeindruckt. Das linksradikale US-Magazin „Ramparts“ nannte die pazifistische Position gar einen „Verrat“. „Der Text steht auch heute noch“, sagte Lennon 1980. „Das ist noch immer meine politische Position: Ich möchte die Alternative sehen, ich möchte wissen, was passiert, wenn alles eingerissen wird. Gibt es nicht irgendwas, das noch brauchbar ist? Warum Bomben auf die Wall Street werfen? Wenn man das System verändern will – verändere das System! Es bringt nichts, die Leute zu erschießen.“
Auf dem Album: „The Beatles“
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12. Norwegian Wood (This Bird Has Flown)
Autor: Lennon/McCartney, Aufgenommen: 12. und 21. Oktober 1965, Veröffentlicht: 7. Dezember 1965, nicht als Single veröffentlicht
„Norwegian Wood“ greift auf eine Inspirationsquelle zurück, die aus dem Rock’n’Roll nicht wegzudenken ist: Sex. „Ich wollte über eine Affäre schreiben, ohne meine Frau wissen zu lassen, dass ich über eine Affäre schrieb.“ Nicht nur das: Lennons sehr persönliches Songwriting sollte von nun an fester Bestandteil seiner Arbeit werden.
Lennon stellt das gängige Rollenklischee auf den Kopf: „I once had a girl/ Or should I say, she once had me.“ Er erzählt von einem nächtlichen Techtelmechtel mit einer erfahrenen Frau, die ihr eigenes Apartment hat, ihre eigene Karriere – und Herren gerne mal auf ein Glas Wein in ihre Wohnung bittet. Sie ist also das Gegenteil des Frauentypus, der in früheren Songs beschrieben wurde. McCartney erklärte später, dass die Mädchen aus Swinging London ein Faible für Möbel aus norwegischem Holz hatten. „Insofern war der Song schon eine Parodie. Es war natürlich immer billige Kiefer. Aber ,Cheap Pine‘ hätte als Songtitel nicht funktioniert.“ Auch wenn es die Geschichte einer Affäre mit einem Mod-Groupie ist, erzählt Lennon sie aus einer erwachsenen Perspektive. Er lässt das damalige London aufleben, beschreibt, wie er die Nacht in ihrem Apartment verbringt (und in der Badewanne aufwacht), wie er es ist, der verführt wird, wie er nervös auf ihrem Teppich sitzt, bis sie schließlich sagt: „It’s time for bed.“ …
Angesichts der verklausulierten Andeutungen war Cynthia Lennon wohl nicht die einzige, die sich beim Versuch einer Interpretation die Zähne ausbiss. Als er morgens alleine aufwacht, heißt es: „I light a fire“: Soll das bedeuten, dass er das Haus in Brand steckt? Lennon hat sich dazu nie geäußert, während McCartney durchaus der Meinung ist, dass die Brandstifter-Theorie so verkehrt nicht ist. Während Lennon 1980 behauptete, dass „Norwegian Wood“ „completely my song“ sei, hatte er dem ROLLING STONE zehn Jahre früher noch erzählt, dass „Paul bei den mittleren acht Takten geholfen hat“. Laut McCartney habe er sogar nur die ersten Zeilen fertiggestellt. „Das war alles, kein Titel, kein Nichts“. Harrisons Sitar-Debüt ist sicher das herausstechendste Detail des Songs, doch „George hatte die Sitar gerade erst bekommen“, so Lennon, „und ich fragte ihn, ob er das Ding überhaupt spielen könne. Er war sich nicht sicher, wollte es aber versuchen.“ Harrison hatte die Sitar auf dem Set des zweiten Beatles-Films „Help!“ entdeckt. Fasziniert kaufte er ein Instrument, spielte mit ihm herum und nahm später sogar Unterricht bei Ravi Shankar. Gleichzeitig entdeckte er für sich die fernöstlichen Lebensweisen und Religionen, die ihn sein ganzes Leben lang begleiten sollten …
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Als er sich 1990 an diese Zeit erinnerte, beschrieb Harrison sein Sitarspiel als „reichlich rudimentär. Obendrein war es ein billiges Exemplar, das ich mir gerade erst gekauft hatte. Aber das war damals eben die Attitüde der Band: Wir waren offen für alle neuen Einflüsse. Wir beschäftigten uns mit den unterschiedlichsten Sachen – Stockhausen, Avantgarde – und vieles davon landete auf unseren Platten“. „Norwegian Wood“ wurde als kreativer Meilenstein gewürdigt. Brian Jones zollte Harrisons Sitar in der Stones-Nummer „Paint It, Black“ Tribut, während sich Dylan mit „4th Time Around“ an einer Parodie versuchte. Er bestand darauf, Lennon die Nummer persönlich vorzuspielen. „John war schon verunsichert, weil ihn die anderen Beatles ob seines Dylan-Faibles „ständig durch den Kakao zogen“. Er befürchtete, dass Dylan ihm nun eins auswischen wollte. „Er fragte mich: ,Gefällt es dir?‘ Ich sagte ihm ehrlich, dass es mir nicht gefalle.“ Später gab er zwar zu, dass er es doch mochte, aber die Tage von Lennons ungebremster Dylan-Verehrung waren gezählt.
Auf dem Album: „Rubber Soul“
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11. „A Hard Day’s Night“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 16. April 1964, Veröffentlicht: 19. Juni 1964, 3 Wochen, Nr. 2
Der Song beginnt mit dem bekanntesten Akkord der Rock’n’Roll-Geschichte: Der Ausbruch einer 12-saitigen Gitarre scheint das Chaos und die Euphorie der Beatlemania noch einmal wiederbeleben zu wollen. Das Strahlen in diesem Akkord, die mit Händen greifbare Begeisterung der Band und die im Titel angesprochene physische Erschöpfung machen „A Hard Day’s Night“ zu einem Mini-Film, der den meteorhaften Aufstieg der Beatles noch einmal Revue passieren lässt. „Damals waren es vor allem die Intros und die Abschlüsse eines Songs, um die ich mich vorrangig kümmerte“, sagt George Martin. „Wir brauchten einen Knalleffekt, damit man sofort in den Song gesogen wurde.“ Bei den Proben spielte Lennon mit einigen Akkorden herum, um den gesuchten Knalleffekt zu finden. „Es war reiner Zufall“, so Martin, „dass er den richtigen fand. Als wir ihn hörten, wussten wir sofort, dass er den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.“ …
Der Titel basierte auf einem von Ringos schnoddrigen Sprüchen. „We were working all day and then into the night, and I came out thinking it was still day and said: ,It’s been a hard day‘, and noticing it was dark: …’s night.‘“ Als Lennon davon Regisseur Richard Lester erzählte, war der Name des Films gefunden. Sie mussten nur noch den Song schreiben, der zum Titel passte. „John und ich hielten immer die Augen nach pfiffigen Songtiteln auf“, so McCartney. „Wenn man einen guten Titel hat, ist das schon die halbe Miete. Mit ,A Hard Day’s Night‘ hatten wir gleich den Fuß in der Tür.“ Lennon schrieb den Song am Abend vor der Aufnahme und kritzelte den Text auf eine Geburtstagskarte für seinen Sohn Julian. In drei Stunden nahm die Band den Song auf …
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Das größte Problem bereitete Harrisons Solo. Doch als die Session abends um zehn Uhr zu Ende ging, hatte er eines seiner cleversten Soli kreiert – ein aufwärts steigender Gitarrenlauf, der zwei Mal wiederholt und mit einem kreisenden Schnörkel abgerundet wird, wobei Martins Piano den glockenartigen Sound der Gitarre wieder aufgreift. „George“, so Geoff Emerick, „konnte intensiv an seinen Soli arbeiten.“ Harrisons spielte auch das Solo im Fade-out, ein kreiselndes Gitarren-Arpeggio, das ebenfalls Martins Idee war: „Ich habe ihnen immer zu erklären versucht, wie wichtig es ist, einen Song einzubetten – ihn nicht einfach abzuschließen, sondern so nachhallen zu lassen, dass gleich der Übergang zum kommenden Klangbild gewährleistet ist.“
Auf dem Album: „A Hard Day’s Night“
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10. „While My Guitar Gently Weeps“
Autor: Harrison, Aufgenommen: 5. und 6. September 1968, Veröffentlicht: 22. November 1968, B-Seite (Ob-la-di, Ob-la-da)
Der Text zu Harrisons erstem großen Beatles-Song entstand aus einem Zufall. Harrison hatte den Großteil der Musik schon auf dem Indien-Trip von Februar bis April 1968 geschrieben, machte sich aber erst nach seiner Rückkehr auf die Suche nach den passenden Worten. Inspiriert von den Theorien des „I Ching“ zog er im Haus seiner Eltern ein Buch aus dem Regal, schlug eine Seite auf und schrieb einen Text zu den ersten Worten, die ihm ins Auge fielen. Es war „gently weeps“ – und stammte vermutlich aus dem Gedicht „Rain on the Roof“ von Coates Kinney, in dem sich die Zeile befindet: „And the melancholy darkness/ Gently weeps in rainy tears“. Obwohl die Band Harrison-Songs schon auf sechs Alben eingesetzt hatte, glaubte Harrison noch immer, von Lennon und McCartney nicht wirklich ernst genommen zu werden. Lennon bemerkte später einmal, dass „es eine peinliche Phase gab, in der Georges Songs einfach nicht so gut waren. Aber niemand wollte mosern, also arbeiteten wir an ihnen.“ Die erste Aufnahme von „While My Guitar Genly Weeps“ stammt vom 25. Juli 1968. Eine zweite Version mit der ganzen Band (Lennon spielte die Orgel) wurde am 16. August sowie am 3. und 5. September aufgenommen …
Diesmal hört man Spielereien mit der Bandgeschwindigkeit, Maracas und ein rückwärts abgespieltes Gitarrensolo, das allerdings nie den „weeping sound“ erzeugt, den sich Harrison vorgestellt hatte. Produzent George Martin hatte gerade einen vierwöchigen Urlaub angetreten, als sich die Band am 5. September an einer weiteren Version versuchte – diesmal mit Lennon an der Leadgitarre und einem schlingernden Rhythmus, den Ringo beisteuerte. Doch auch dieser Versuch fand kein Gefallen. „Sie gaben sich einfach keine Mühe“, klagte Harrison später. „Ich fuhr an dem Abend nach Hause und dachte: ,Es ist einfach zum Heulen‘, weil ich wusste, dass der Song verdammt gut war.“ Am nächsten Tag nahm Harrison Eric Clapton von Surrey nach London mit – und hatte eine Idee, wie er seine Kollegen zu einem größeren Engagement animieren könne: Er fragte Clapton, ob er nicht mit ins Studio kommen und den Gitarrenpart übernehmen wolle. Clapton lehnte erst ab. Aber Harrison ließ nicht locker: „Schau her, es ist schließlich mein Song. Ich möchte, dass du darauf spielst.“ …
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(Monate zuvor waren Clapton, Harrison, McCartney und Starr mit Jackie Lomax im Studio gewesen, um dessen Version von Harrisons „Sour Milk Sea“ einzuspielen.) Mit dem angesagten Gast im Studio kamen die Beatles plötzlich in die Hufe – besonders McCartneys Harmonien klingen ausnehmend inspiriert. „Es war schon eine interessante Erfahrung“, so Harrison, „wie nett die Leute miteinander umgingen, wenn man einen Gast mitbrachte. Vor Außenstehenden wollten sie einfach nicht zeigen, wie zickig sie manchmal sein konnten.“ Claptons filigranes und lyrisches Solo war das perfekte Ferment: Noch in der gleichen Nacht wurde die Aufnahme abgeschlossen. „Es ist wundervoll elegisch“, sagte Mick Jagger dem ROLLING STONE 2002. „Nur ein Gitarrist konnte diesen Song schreiben. Ich liebe ihn.“ Clapton wurde einer von Harrisons engsten Freunden – und gleichzeitig sein größter Konkurrent. Als Harrison während der „Let It Be“-Sessions kurzzeitig die Band verließ, knurrte Lennon: „Wenn er bis Dienstag nicht zurück ist, nehmen wir eben Clapton.“
Auf dem Album: „The Beatles“
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9. „Come Together“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 21. – 23, 25., 29. und 30. Juli 1969, Veröffentlicht: 26. September 1969, 8 Wochen, Nr. 1
„Come Together“ war ursprünglich der Wahlkampf-Slogan von Timothy Leary, der sich 1970 um das Amt des kalifornischen Gouverneurs bewarb. Der LSD-Guru und seine Frau Rosemary waren im Juni 1969 von John & Yoko zu ihrem „Bed-In“ in Montreal eingeladen worden und sangen dort auch auf der Aufnahme von „Give Peace A Chance“ mit. Lennon fragte Leary, ob er noch irgendetwas tun könne, um Learys Kandidatur zu unterstützen. „Die Learys fragten, ob ich ihnen einen Song für den Wahlkampf schreiben könne“, sagte Lennon dem ROL-LING STONE, „und ihr Slogan war ,Come together‘.“ Er gab ihnen ein Demo mit einem „Mitsing-Ding“ auf den Weg, das Leary zu Hause an einige Radiostationen verteilte. Aber Lennon glaubte inzwischen, aus dem Fragment noch mehr machen zu können. „Ich kam nie dazu, den Campaign-Song abzuschließen, sondern schrieb am Ende einen neuen Song, der ,Come Together‘ hieß.“
Als er ihn in die Abbey Road brachte, war er noch erheblich schneller und offensichtlich an Chuck Berrys „You Can’t Catch Me“ angelehnt. Die erste Zeile – „Here come old flat-top“ – stammt eins zu eins von Chuck Berrys Aufnahme aus dem Jahr 1956. (Nach Erscheinen von „Abbey Road“ klagten Berrys Anwälte auf Copyright-Verletzung. 1973 kam es zu einem Vergleich, nachdem sich Lennon verpflichtet hatte, drei Songs aus ihrem Katalog aufzunehmen). McCartney machte ein paar Vorschläge, wie man den Song verbessern könne. „Ich sagte: ,Lass uns den Song deutlich langsamer spielen und ihm dieses sumpfige Bass-&-Drum-Feeling geben. Ich schlug eine Bass-Melodie vor, und von da an ging alles wie von selbst.“ Lennon erwähnte, dass das „over me“ am Ende des Refrains eine Anspielung auf Elvis gewesen sei. Der Text war ohnehin eine Anhäufung von Anspielungen, Insider-Jokes und dem, was er „gobbledygook“ nannte: improvisierte Wortschöpfungen, die er sich im Studio ausdachte. Der wichtigste Bestandteil war für Lennon aber der hypnotische Rhythmus:
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„Die Aufnahme war wirklich funky – einer meiner liebsten Beatles-Tracks.“ Nach „Let It Be“ schien es undenkbar, dass die Band noch einmal zu einem kreativen Miteinander zurückfinden würde. „Wenn ich einen Song herausgreifen müsste“, so George Martin, „der nicht nur ihre individuellen Talente dokumentiert, sondern auch die Art und Weise, wie sie diese Talente zu einem fantastischen Ganzen zusammensetzten, nähme ich ,Come Together‘. Der ursprüngliche Song ist schon gut, aber mit Johns Stimme wird er noch besser. Dann hatte Paul die Idee zu diesem kleinen Riff. Worauf Ringo einstieg und sich dazu genau das passende Drum-Pattern einfallen ließ. Und dieses Gerüst wiederum war die Basis für Johns „shoot me“-Einlagen. Und am Ende kommt dann noch Georges Gitarre wundervoll zur Geltung. Die Vier waren einfach so viel besser als die Summe der einzelnen Komponenten.“ „Come Together“ sollte die letzte Aufnahme sein, an der alle vier Beatles gemeinsam arbeiteten.
Auf dem Album: „Abbey Road“
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8. „Let It Be“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 25., 26. und 31. Januar, 30. April 1969, 4. Januar 1970, Veröffentlicht: 6. März 1970, 9 Wochen, Nr. 2
McCartney hatte den gospelnden Soul von Aretha Franklin im Hinterkopf, als er 1968 – während der „White Album“-Sessions – mit dem Schreiben des Songs begann. Die erste Songzeile – „When I find myself in times of trouble/ Mother Mary comes to me“ – ging auf einen Traum zurück, in dem seine verstorbene Mutter Mary ihm sagte, dass er sich um die Zukunft nicht sorgen solle. „Ich bin mir nicht sicher, ob sie die Worte ‚Let it be‘ benutzte, aber das war die Quintessenz des Traums.“ Die Beatles hatten zu diesem Zeitpunkt Probleme in Hülle und Fülle. Einen ganzen Monat lang hatte man vor Filmkameras geprobt und Live-Aufnahmen gemacht, um die Beat- les zu ihren Wurzeln als Beat-Band zurückzuführen. (George Martin wurde dabei bewusst aufs Abstellgleis geschoben.) Tatsächlich aber entpuppten sich die Aufnahmen als Desaster, bei dem die bisherigen Differenzen in offene Feindseligkeit umschlugen. Lennon, der von „Let It Be“ nicht begeistert war, machte seine Scherze über die Ernsthaftigkeit des Songs: „Sollten wir bei dem Solo nicht vielleicht alle kichern?“ …
Immerhin arbeitete die Band mehrere Tage an dem Song und nahm am 31. Januar 1969 die Basic Tracks im Apple Studio auf. Nachdem am gleichen Tag auch die Filmaufnahmen abgeschlossen waren, drückte man die gesammelten Bänder Toningenieur Glyn Jones in die Hand, der daraus ein Album herauskristallisieren sollte, für das der Arbeitstitel „Get Back“ vorgesehen war. Harrison war mit dem „Let It Be“-Solo nicht glücklich, das Lennon ausgesucht hatte. Er nahm ein neues Solo auf und ließ es über die rotierenden Leslie-Lautsprecher der Orgel laufen. Diese Version landete schließlich auf der Single. Fast ein Jahr nach der ursprünglichen Aufnahme kamen McCartney, Harrison und Starr zusammen, um einige Songs, darunter auch „Let It Be“, endgültig abzuschließen. McCartney nahm Lennons Bass-Track neu auf, Harrison spielte ein weiteres Solo ein (das dann auf der Album-Version erschien), ein Bläsersatz, von Martin arrangiert, wurde hinzugefügt, und Harrison sang neben Paul und Linda die Background-Vocals …
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Nachdem Phil Spector die Lennon-Single „Instant Karma“ produziert hatte, war Lennon von Spectors Arbeit so angetan, dass er und Beatles-Manager Allen Klein ihn baten, die Bänder vom Januar 1969 neu zu bearbeiten. „Man gab ihm die beschissenste Sammlung beschissen klingender Aufnahme mit einem scheußlichen Feeling“, sagte Lennon, „und er schaffte es immerhin, etwas Vernünftiges auf die Beine zu stellen.“ Spector mischte den Titeltrack des Albums neu ab und bekam dafür den Produzenten-Credit. McCartney sollte Spectors Version später als „scheußlich“ bezeichnen. Glyn Jones betonte, dass er nach wie vor seinen rudimentären Mix bevorzuge – „bevor sich Spector darüber auskotzte“. Spector selbst meinte, dass die Atmosphäre innerhalb der Band „ein Minenfeld“ gewesen sei – und dass er unter diesen Umständen das Beste herausgeholt habe: „Wenn es beschissen ist, wird man es natürlich mir anhängen. Ist es erfolgreich, waren es die Beatles.“ „Let It Be“ wurde am 11. März 1970 veröffentlicht. Einen Monat später, am 10. April, nahm McCartney die Veröffentlichung seines ersten Solo-Albums zum Anlass, das endgültige Ende der Beatles zu verkünden.
Auf dem Album: „Let It Be“ und „Past Masters“
Copyright: Mark and Colleen Hayward/Redferns
7. „Hey Jude“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 29. Juli – 1. August 1968, Veröffentlicht: 30. August 1968, 12 Wochen, Nr. 1
„Hey Jude“ wurde inspiriert durch Julian Lennon, den fünfjährigen Sohn von John und Cynthia. „Paul und ich waren häufig zusammen“, so Julian, „häufiger, als ich mit meinem Vater zusammen war. Vielleicht hatte Paul damals ja eine ausgeprägtere Ader für Kinder.“ McCartney hatte Cynthia besucht, als sie und John sich gerade getrennt hatten. Auf der Fahrt dorthin ging ihm Julian nicht aus dem Kopf: „Ich saß im Auto und summte diese Melodie, und irgendwie stellten sich die Worte ,Hey, Jules‘ ein. Später schien mir dann der Name Jude passender – er klang mehr nach Country & Western.“ Die ersten Verse „sollten eine positive Botschaft für Julian sein: ,Come on, man, deine Eltern lassen sich scheiden. Ich weiß, dass du nicht glücklich bist, aber du wirst drüber hinwegkommen.‘“ „Hey Jude“ kann auch als tröstliche Botschaft an sich selbst verstanden werden, da seine Beziehung zu Jane Asher in die Brüche ging und die Zukunft der Beatles immer fraglicher wurde. Der Song wurde während der „White Album“-Sessions eingespielt, die zunehmend unter Machtkämpfen in der Band litten und dem Phänomen, dass der jeweilige Songschreiber die anderen Beatles zu Befehlsempfängern degradierte …
McCartney, Harrison und Starr wollten sich mit der ständigen Anwesenheit von Yoko im Studio nicht anfreunden. Toningenieur Geoff Emerick war von dem Hickhack so genervt, dass er den Dienst quittierte. George Martin musste zwischen zwei Studios hin- und herlaufen – was ihm schließlich so auf den Geist ging, dass er sich in einen mehrwöchigen Urlaub verabschiedete. Ringo Starr mochte auch nicht mehr und stieg einfach aus der Band aus – wenn auch nur für zwei Wochen. Als Lennon „Hey Jude“ zum ersten Mal hörte, war er begeistert. Er glaubte, dass der Song von ihm handle und seiner Beziehung zu Yoko und den daraus erwachsenden Spannungen zu McCartney. (Lennons Beitrag bestand darin, McCartney vom Streichen einer Zeile abzuhalten: „The movement you need is on your shoulder.“ ) „Ich habe es immer als einen Song verstanden, der an mich gerichtet war. Yoko war gerade auf der Bildfläche erschienen, und er schien zu sagen: ,Hey, Jude – hey, John.‘ Im Unterbewusstsein sagte er wohl: ,Geh nur, lass mich zurück.‘“ Die Band engagierte ein 36-köpfiges Orchester und animierte die Musiker, bei den Aufnahmen auch zu klatschen und mitzusingen. George Martin erinnert sich, dass einer der Musiker trotzdem nicht mitmachen wollte: „,Ich klatsche nicht und ich singe auch nicht McCartneys bescheuerten Song.‘ Er wies darauf hin, dass auf seinem Gewerkschaftausweis ,Geiger‘ stehe – und stürmte aus dem Studio. Alle Anwesenden waren perplex.“ …
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Es sollte noch weitere Probleme geben. McCartney bluffte Harrison an, den Gitarren-Einsatz zu reduzieren, da andernfalls die Songtexte zugekleistert würden. Als man endlich zur abschließenden Aufnahme bereit war, hatte McCartney nicht mitbekommen, dass Ringo gerade auf der Toilette saß. Zum Glück kommt der Drum-Einsatz bei „Hey Jude“ so spät, dass Starr es noch gerade schaffte, rechtzeitig zu seinem Schlagzeug zu eilen. Der Refrain am Ende des Tracks erstreckt sich über vier ganze Minuten und ist damit länger als der eigentliche Song, der mit gut drei Minuten zu Buche steht. Geplant war das nicht, aber McCartney war so in Fahrt, dass „ich einfach nicht aufhören konnte, immer wieder ,Judy Judy Judy – wooow‘ zu singen. Es war wie Cary Grant im Overdrive.“ (Die Zeile war Grants Trademark und taucht im Film „Only Angels Have Wings“ auf. – Red.) „Hey Jude“ war die erste Veröffentlichung auf Apple Records. In den USA hielt sich die Single neun Wochen lang auf Platz eins – länger als jede andere Beatles-Nummer. Mit sieben Minuten und 11 Sekunden sollte es auch die bislang längste Beatles-Aufnahme sein – was George Martin überhaupt nicht gefiel. Er befürchtete, dass die Nummer im Radio nicht gespielt würde. Lennon wollte davon nichts wissen: „Wenn sie von uns kommt, wird sie gespielt.“
Auf dem Album: „Past Masters“
Copyright: Mark and Colleen Hayward/Redferns
6. „Something“
Autor: Harrison, Aufgenommen: 16. April, 2. und 5. Mai, 11. und 16. Juli, 15. August 1969, Veröffentlicht: 23. September 1969, keine Chartplatzierung
Am 25. Februar 1969, seinem 26. Geburtstag, nahm George Harrison in den EMI-Studios drei Demos auf. Er machte je zwei Takes von „Old Brown Shoes“ (das später die B-Seite von „Let It Be“ wurde) und „All Things Must Pass“ (später der Titelsong seines ersten Solo-Albums). Dazwischen versuchte er sich an einer gefälligen Ballade, die er 1968 in einer Pause der „White Album“-Sessions geschrieben hatte: „Something“. „Man maß Georges Material nicht allzu viel Bedeutung zu“, erinnert sich Toningenieur Glyn Jones. „Was sogar dazu führte, dass er mich bat, im Studio zu bleiben, nachdem die anderen nach Hause gegangen waren. Und dann spielte er diesen Song, der mir die Sprache verschlug.“ Da der Song so catchy war, glaubte Harrison zunächst, dass er ihn schon einmal gehört habe …
„Ich legte ihn sechs Monate lang auf Eis, weil ich dachte: ,Das geht viel zu einfach!‘ Die erste Zeile – „Something in the way she moves“ – stammte tatsächlich von James Taylor. (Harrison war bei den Sessions anwesend und sang auf einem anderen Track Background-Vocals.) „In meinem Kopf“, so Harrison, „stellte ich mir vor, wie Ray Charles diesen Song singen würde.“ Trotzdem hielt er ihn nicht für substanziell genug, um ihn den Beatles anzubieten. Er überließ den Song sogar Joe Cocker, der ihn als Erster aufnahm. Als Harrison „Something“ schließlich den Beatles vorschlug, waren alle sofort begeistert. Lennon behauptete sogar, dass „Something“ „der beste Track auf dem Album“ sei. „Es verschlug mir den Atem“, sagte George Martin später. „Weil ich nie und nimmer geglaubt hätte, dass George es packen würde. Es war eine schwierige Situation für ihn, weil er keinen Sparringspartner wie die beiden anderen hatte. Er war gezwungenermaßen ein Einzelgänger.“ …
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Die anderen Beatles arbeiteten an „Something“ über mehrere Monate, arrangierten und bearbeiteten den Song und nahmen ihn so lange auf, bis alles perfekt saß. Plötzlich war Harrison der musikalische Direktor, der McCartney sagte, wie er den Bass zu spielen habe. „Was wirklich ein Novum war“, so Geoff Emerick. „George hätte nie gewagt, Paul Anweisungen zu geben.“ Bei der abschließenden Session stand Harrison neben Martin auf dem Dirigentenpult bei den Streicher-Aufnahmen, und live mit dem Orchester spielte er auch ein neues Gitarren-Solo ein, das ein romantisches Schwelgen mit einer bluesig-dreckigen Slide-Gitarre verband. „Something“ schaffte es in den USA auf Platz 3 und wurde nach „Yesterday“ der meistgecoverte Beatles-Song. Ray Charles sollte ihn tatsächlich singen, und Frank Sinatra nannte ihn „den größten Love-Song der letzten 50 Jahre“. „Er war immer nervös, wenn es um seine Songs ging“, so Martin über Harrison. „Weil er genau wusste, dass er nicht der eigentliche Songschreiber der Gruppe war. Er musste immer ein Pfund draufpacken.“ Mit „Something“ aber schaffte er es, nicht nur seine Kollegen, sondern die ganze Welt zu überzeugen.
Auf dem Album: „Abbey Road“
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5. „In My Life“
Autor: Lennon/McCartney, Aufgenommen: 18. und 22. Oktober 1965, Veröffentlicht: 7. Dezember 1965, nicht als Single veröffentlicht
„In My Life“ sollte sich als Wendepunkt in Lennons kreativem Schaffen erweisen. Das Arbeiten an dem Song begann mit einer Frage: Warum, so fragte ihn der Journalist Kenneth Allsop im März 1964, schreibe Lennon eigentlich nicht mehr Texte, die sein Leben und seine Erfahrungen reflektierten? „Ich hatte diese professionelle Songschreiber-Attitüde“, sagte Lennon 1970 dem Rolling Stone. „Wenn ich persönliche Erfahrungen artikulieren wollte, schrieb ich Bücher wie ,In seiner eigenen Schreibe‘. Der songschreibende John Lennon, der Popsongs für die Galerie verfasste, befand sich in einer anderen Schublade. Für mich waren es oberflächliche Wegwerf-Produkte.“ Lennon nahm sich Kritik zu Herzen und schrieb einen längeren Text über Menschen und Orte aus seiner Vergangenheit – und natürlich spielte Liverpool eine große Rolle: „Ich setzte mich in einen Bus, fuhr durch die Stadt und schrieb einen Text, der so ziemlich jede Sehenswürdigkeit auflistete.“ …
Als er die Lyrics später las, „war es ein schnarchlangweiliger ,Was machte ich im Urlaub‘-Song. Aber dann ließ ich es mir nochmal durch den Kopf gehen und kam auf Orte, mit denen mich wirklich persönliche Erinnerungen verbanden.“ Es folgte ein Disput, der sich wohl nie auflösen lassen wird. „In My Life“ ist einer der wenigen Lennon/McCartney-Songs, bei denen die Autoren gegensätzliche Erinnerungen haben, was ihren jeweiligen Beitrag betrifft. Laut Lennon „waren die Lyrics schon komplett geschrieben, als Paul den Song zum ersten Mal hörte. Er hat an den Harmonien gearbeitet und an den acht Takten im Mittelteil.“ Laut McCartney hatte Lennon bloß die erste Strophe geschrieben. Bei einer ihrer Schreib-Sessions in Lennons Weybridge-Villa habe man den Text komplett überarbeitet und dabei allzu Spezifisches gegen universellere Alternativen getauscht. (Einige der ursprünglichen Zeilen wie „some are dead and some are living“, Lennons Reverenz an den verstorbenen Bassisten Stu Sutcliffe, seien aber übernommen worden.) …
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McCartney behauptet weiterhin, dass er die Melodie auf Lennons Mellotron entwickelt habe (und sich dabei von Smokey Robinson habe inspirieren lassen), ebenso wie die behutsamen Gitarrentupfer am Anfang des Songs. Wie immer auch die Urheberschaft aussehen mag: „In My Life“ dokumentiert Lennons Entwicklung als Künstler. „Ich fing an, das Subjekt meiner Songs zu werden. Ich vermute, dass es Dylan war, der mir dabei geholfen hat.“ Die Beatles waren Anfang 1964 große Fans und spielten „The Freewheelin’ Bob Dylan“ nonstop. Als Dylan im August die Beatles in New York besuchte, machte er sie mit Marihuana bekannt. (Er war allerdings davon ausgegangen, dass die Beatles bereits Pot rauchten, nachdem er in „I Want To Hold Your Hand“ die Zeile „I can’t hide“ als „I get high“ missverstanden hatte.) Dylan und Gras sollten die beiden Faktoren werden, die die Beatles aus der Moptop-Existenz befreien und zu ihrem ersten Meisterwerk führen sollten: „Rubber Soul“.
Auf dem Album: „Rubber Soul“
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4. „Yesterday“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 14. und 17. Juni 1965, Veröffentlicht: 14. September 1965, 5 Wochen, Nr. 6
Die Melodie, die zur meist gecoverten der Pop-Geschichte werden sollte, trug erst einmal den Titel „Scramble Eggs“, und die Geschichte dieser Melodie begann mit einem Traum. „Ich fiel buchstäblich aus dem Bett“, erinnerte sich McCartney. „Ich hatte dort gleich ein Klavier stehen, und ich muss den Song geträumt haben, weil ich aus dem Bett stolperte, meine Finger auf die Tasten legte und die Töne sofort im Kopf hatte. Alles war da, von Anfang bis Ende.“ Die Melodie war so stimmig, dass er den Verdacht hatte, unbewusst bei einem Song geklaut zu haben. Er ließ den Song monatelang in der Schublade liegen, spielte gelegentlich ein paar Takte für George Martin und Ringo Starr, fragte sie: „Könnte das was werden?“ Martin erinnert sich, den Song bereits im Januar 1964 gehört zu haben – also noch vor dem ersten Besuch in Amerika, „auf jeden Fall“ – so Lennon – „existierte er bereits einige Monate, bevor wir ihn fertigstellten.“ Es dauerte lange, bis McCartney für die provisorische Zeile „Scrambled eggs/ Oh, my baby, how I love your legs“ Ersatz gefunden hatte. Bei einem Urlaub mit seiner Freundin, der Schauspielerin Jane Asher, wurde er fündig. Der Text artikuliert ein vages Gefühl von Melancholie und Bedauern und sollte zum „rundesten Song werden, den ich je geschrieben habe.“ …
Die Umsetzung im Studio erwies sich als komplizierter. Wie George Martin erklärt, „war es nicht der typische Song für drei Gitarren und ein Schlagzeug. Deshalb sagte ich zu Paul: ,Lass uns zunächst nur die Gitarre sowie deinen Gesang aufnehmen und dann weiter überlegen.‘ Nach einigen Versuchen, einmal mit Lennon auf der Orgel, machte Martin einen unorthodoxen Vorschlag: „Ich erinnerte mich an meinen Geigenunterricht und sagte: ‚Warum versuchen wir es nicht mal mit Streichern? Die müssen ja nicht automatisch schmalzig sein‘. Paul sagte nur: ,Lass mich bloß mit diesem Mantovani-Schmus in Ruhe.‘ Ich schlug daraufhin vor: ,Wie wäre es mit einem Streichquartett?‘“ McCartney war noch immer nicht überzeugt: „Ich sagte George: ,Willst du mich auf den Arm nehmen? Wir sind eine Rock-Gruppe!‘ Doch er sagte: ,Lass es uns versuchen, und wenn es dir aufstößt, werfen wir es weg und kehren zu Gesang und Gitarre zurück.‘ Also setzte ich mich ans Klavier und schrieb mit ihm die Arrangements, dann nahmen wir es auf und – klar – waren rundum glücklich damit.“ Die Aufnahme zeigte deutlich, dass die Band bereit für neue Stilrichtungen war …
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„Yesterday“ signalisierte der Welt, dass die Beatles – wie Rock’n’Roll überhaupt – zum Quantensprung von schnoddriger Jugendlichkeit hin zu literarischer Reife angesetzt hatten. Nach der Session nahm George Martin Manager Brian Epstein zur Seite und fragte, ob der Song nicht als McCartney-Solo veröffentlicht werden sollte, da keiner der anderen an der endgültigen Aufnahme beteiligt war. Epstein antwortete knapp: „Es sind die Beatles. Wir grenzen in der Band niemanden aus.“ Die Band war allerdings noch immer unsicher und verzichtete in England auf eine Single-Veröffentlichung. „Der Song war uns ein bisschen peinlich“, so McCartney. „Schließlich waren wir eine Rock’n’Roll-Band.“ In den USA stieg „Yesterday“ umgehend auf Platz eins der Single-Charts. (Der Titel gehörte zu den sechs Tracks, die Capitol nicht auf die US-Version von „Help“ gepackt hatte.) Er ist im Beatles-Katalog der mit Abstand populärste Song und wurde über 2500 Mal gecovert – eine Tatsache, die Lennon missfiel: „Wenn ich ein Restaurant betrete, spielen die Bands ,Yesterday‘. In Spanien musste ich einmal die Geige eines Typen signieren, der gerade ,Yesterday‘ darauf gespielt hatte. Er wollte nicht glauben, dass ich mit dem Song nichts zu tun hatte. Aber er konnte vermutlich nicht von Tisch zu Tisch gehen und dabei ‚I Am The Walrus‘ spielen.“
Auf dem Album: „Help“
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3. „Strawberry Fields Forever“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 24., 25. und 29. November, 8., 9., 15., 21. und 22. Dezember 1966, Veröffentlicht: 17. Februar 1967, keine Chartplatzierung
John Lennon schrieb den Song im September 1966, als er während der Dreharbeiten für „Wie ich den Krieg gewann“ in Spanien war. Zum ersten Mal seit Jahren hatte er das tägliche Beatles-Business hinter sich gelassen und nutzte die Freiheit, um tief in seinen Kindheitserinnerungen zu kramen. 1968 erzählte er dem ROLLING STONE: „Wir wollten einen Song über Liverpool machen, und ich listete die wohlklingenden Namen der Stadt auf. Im Fall von Strawberry Fields stellten sich Assoziationen ein, denn das kann letztlich jeder Ort sein, an den man sich wünscht.“ Strawberry Field (das „s“ stammt von Lennon) war ein Kinderheim, ganz in der Nähe des Hauses seiner Tante Mimi, in dem Lennon aufgewachsen ist. Der junge Lennon, von seinen Eltern zur Tante abgeschoben, kletterte oft über die Mauer des Waisenhauses, um in dem verwilderten Garten zu spielen. „Im Kindergarten fanden mich die anderen cool“, so Lennon 1980 …
„Ich war mein Leben lang anders. Im zweiten Vers heißt es: ,No one I think is in my tree.‘ Was ich sagen wollte: Niemand schien so beliebt zu sein wie ich. Deshalb musste ich entweder verrückt oder ein Genie sein. Dann die nächste Zeile: ,I mean it must be high or low‘: Irgendetwas muss mit mir nicht stimmen, dachte ich mir, weil ich Dinge sah, die andere Leute offensichtlich nicht sahen.“ Nachdem er den Song an einem spanischen Strand zu Ende geschrieben hatte, kehrte er nach England zurück und stellte ihn der Band vor. Toningenieur Geoff Emerick erinnert sich: „Für einen Moment war es komplett still, bis Paul beeindruckt sagte: ,Das ist brillant.‘“ Bis zu diesem Zeitpunkt war der Song eine akustische Ballade, die vage an Dylans „It’s All Over Now, Baby Blue“ erinnerte. Im Studio aber, nachdem die Beatles tagelang experimentiert hatten, entwickelte er ein eigenes Leben. Da die vier sich Monate zuvor von Live-Auftritten verabschiedet hatten, hatten sie nun die Muße, an dem Song zu feilen und in den nächsten zwei Wochen mehrere Versionen auszuprobieren. Das Intro komponierte McCartney an einem Mellotron, dem Vorläufer des Synthesizers. Lennon wollte unterschiedliche Aufnahmen kombinieren – ungeachtet der Tatsache, dass sie verschiedenen Tempi und Tonarten hatten …
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Produzent George Martin löste das Problem, indem er die eine leicht beschleunigte und die andere verlangsamte – was den unheimlichen Tonfall von Lennons Stimme noch verstärkt und dem Song eine Atmosphäre surrealer Zeitlosigkeit verleiht. Die endgültige Version endet mit dem Auszug einer längeren Jam-Session, in deren Verlauf Lennon einmal „cranberry sauce“ sagt. Die „Paul is Dead“-Spinner sollten darin später „I buried Paul“ hören. „Strawberry Fields“ war die erste Aufnahme der „Sgt. Pepper“-Sessions. Die ungeahnten Möglichkeiten der neuen Studiotechnik, die auch der anderen Liverpool-Reminiszenz – McCartneys „Penny Lane“ – sichtlich zu Gute kamen, eröffneten neue Möglichkeiten. Auch die LSD-inspirierten, traumwandlerischen Texte schienen ein neues Kapitel aufzuschlagen. Die beiden Tracks sollten daher eigentlich das Herzstück des kommenden Albums werden, aber da EMI eine neue Single forderte (die letzte war bereits sechs Monate alt), wurden beide Songs im Februar 1967 als „Doppel-A-Seite“-Single veröffentlicht. Die Entscheidung, die beiden Tracks aus dem „Sgt. Pepper“-Kontext zu entfernen, bezeichnete George Martin später als „die größte Fehlentscheidung meiner ganzen Karriere“.
Auf dem Album: „Magical Mystery Tour“
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2. „I Want To Hold Your Hand“
Autoren: Lennon/McCartney, Aufgenommen: 17. Oktober 1963, Veröffentlicht: 19. November 1963, 6 Wochen, Nr. 1
Als der euphorische Krach von „I Want To Hold Your Hand“ erstmals über den Äther ging, war Amerika noch gelähmt vom Kennedy-Attentat. Es waren schon früher Beatles-Songs über den Atlantik geschickt worden, aber bisher hatte keine englische Rock’n’Roll-Band auch nur ansatzweise den Fuß in die Tür bekommen. Die Beatles und Manager Brian Epstein hatten sich geschworen, die USA erst dann zu besuchen, wenn sie auf Platz 1 der amerikanischen Charts gelandet wären. Nach „I Want To Hold Your Hand“ war diese Voraussetzung gegeben. „Zum Glück hatten wir nur eine vage Vision und keine realistische Vorstellung von Amerika,,“, sagte Paul McCartney 1987 dem ROLLING STONE. „Ansonsten hätten wir die Hosen voll gehabt.“ Die Single war für die meisten Amerikaner die erste Begegnung mit Lennons und McCartneys Kompositionen, die den Song am Klavier von Pauls damaliger Freundin Jane Asher geschrieben haben …
„Ich erinnere mich noch an den Moment“, so Lennon später, „als wir auf den Akkordwechsel stießen, der den Song ausmacht. Wir hatten ,Oh, you-u-u/Got that someting‘, und plötzlich spielt Paul diesen Akkord. Ich drehe mich zu ihm um und sage: ,Das ist es.‘ Alle Songs aus dieser Phase wurden eigentlich genauso geschrieben: Wir schoben uns die Elemente gegenseitig zu.“ Der Song „war der Höhepunkt in der ersten Phase ihrer Entwicklung“, so Produzent George Martin. „Als sie mit Sachen wie ,Love Me Do‘ anfingen, klauten sie viel aus anderen Liedern. Erst als sie feststellten, dass sie selbst Songs schreiben können, wurde die Tür zu besseren Songs aufgestoßen.“ Die geballte Energie der Nummer wird von einem knackigen Rhythmus vorangetrieben, der so vertrackt ist, dass viele Cover-Bands beim Nachspielen kläglich scheitern. Die Stimmen von Lennon und McCartney wechseln ständig zwischen Einstimmigkeit und Harmoniegesang, jedes Element des Songs ist ein Hook in sich, von Lennons knalligen Riffs über Harrisons Gitarren-Intermezzi bis zum synkopierten Klatschen …
Copyright: Mark and Colleen Hayward/Redferns
Mit Vorbestellungen von einer Million Exemplaren wurde „I Want To Hold Your Hand“ Ende November in England veröffentlicht und verdrängte „She Loves You“ von der Spitze der Charts. Und als ein Teenager einen amerikanischen Radio-DJ überredete, die importierte Single vorzustellen, lief die Platte auch dort heiß – vorausgesetzt, man hatte eine der raren Importe auftreiben können. Aufgrund einer vorgezogenen Veröffentlichung kam die US-Single dann am Tag nach Weihnachten auf den Markt – und war am 1. Februar bereits die Nummer eins. Am 9. Februar traten die Beatles in der „Ed Sullivan Show“ auf – und lockten 70 Millionen Zuschauer vor den Fernseher, ein Rekord für die damalige Zeit. Aber nicht nur Teenager, auch etablierte Kulturgrößen wurden von der Beatlemania mitgerissen. Als Allen Ginsberg „I Want To Hold Your Hand“ erstmals in einem Club hörte, begann er spontan zu tanzen. Leonard Bernstein zog Parallelen zu anderen Künstlern: „Ich habe mich in die Musik der Beatles verliebt, in den Schubert-ähnlichen Fluss musikalischer Ideen, aber auch in diese „Fuck you“-Coolness, mit der sie als die vier Reiter unserer Apokalypse auftreten.“ Bob Dylan sah Großes für die Beatles voraus: „Sie wiesen die Richtung, in die sich die Entwicklung der Musik bewegen musste.“
Auf dem Album: „Past Masters“
Copyright: Central Press/Hulton Archive/Getty Images
1. „A Day In The Life“
Autoren: Lennon/McCartney, Aufgenommen: 19. und 20. Januar, 3., 10. und 22. Februar 1967, Veröffentlicht: 30. Mai 1967, nicht als Single veröffentlicht
Als sie „A Day In The Life“ aufnehmen waren die Beatles auf dem Höhepunkt ihres Schaffens, vielleicht war es sogar die gelungenste Kooperation zwischen Lennon und McCartney aller Zeiten: „Am ganzen Album, aber besonders an ,A Day In The Life‘ haben Paul und ich intensivst zusammengearbeitet“, sagte John Lennon dem ROLLING STONE 1970, als er die „Sgt. Pepper“-Phase rekapitulierte. Nach ihrem Konzert in San Francisco, am 29. August 1966, hatten sich die Beatles endgültig von der Bühne verabschiedet. Da in den kommenden Monaten kein neues Material veröffentlich wurde, vermehrten sich die Gerüchte, es würde kriseln. „Die Leute in den Medien behaupteten, wir seien ausgebrannt“, so McCartney im Rückblick. „Wir wussten aber nur zu gut, dass das Gegenteil der Fall war.“ Mit „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ lieferten die Beatles ein Album voller psychedelischer Visionen ab, wobei „A Day In The Life“ – am Ende des Albums platziert – den Untergang der Welt zu beschwören scheint. Lennon singt über Tod und Zerfall, und er tut es mit einer geradezu gespenstischen Stimme. Seine Vocals wurden im Studio mit einem Effekt verfremdet, den Lennon sein „Elvis-Echo“ nannte …
Eine Stimme über die Produzent George Martin im Jahr 1992 sagte: „Da läuft es dir eiskalt den Rücken herunter.“ Lennons Inspirationen kamen sowohl aus Zeitungen als auch aus seinem eigenen Leben: Der „lucky man who made the grade“ war Tara Browne, ein 21-jähriger Aristokraten-Sohn, der im Dezember 1966 bei einem Autounfall ums Leben kam; „The English Army had just won the war“ bezieht sich auf seine Filmrolle in „Wie ich den Krieg gewann“ – und in der „Daily Mail“ fand Lennon tatsächlich einen Artikel über die „4000 potholes in Blackburn, Lancashire“. Er selbst hatte das Grundgerüst des Songs geschrieben, war aber überzeugt, dass noch etwas Elementares fehlen würde. McCartney hatte ein Fragment in der Schublade, das mit den Zeilen „Woke up, fell out of bed“ begann. ,,Paul war wohl anfangs nicht so begeistert“, so Lennon, letztendlich trat McCartney aber nicht nur seine Zeilen ab, sondern lieferte auch die Idee, ein klassisches Orchester ins Studio zu holen. Die Session am 10. Februar wurde als Party inszeniert: Gäste wie Mick Jagger, Keith Richards, Marianne Faithfull und Donovan wurden dafür eingeladen, das Studio mit Ballons dekoriert und die Musiker mit Hüten, Pappnasen und Gorilla-Tatzen ausstaffiert …
Copyright: David Redfern/Redferns
Martin und McCartney, die dirigierten, forderten sie auf, mit der tiefsten Note ihres Instruments zu beginnen und auf der höchsten zu enden. Zwei Wochen später fügten die Beatles den finalen Geniestreich, den donnernden Piano-Klang hinzu, der 53 Sekunden lang drohend in der Luft hängt. Martin hatte etliche Klaviere ins Studio schaffen lassen, wo alle gleichzeitig den E-Dur-Akkord spielten, während Toningenieur Geoff Emerick die Regler aufriss, um auch noch die letzten Klangnuancen einzufangen. Die BBC hatte allerdings Probleme den Song zu spielen: kaum dass „A Day In The Life“ veröffentlicht war, kam er wegen der vermeintlich drogenverherrlichenden Zeile „I love to turn you on“ auf den Index. Nicht ganz zu Unrecht: „Als George Martin später eine TV-Dokumentation über ,Pepper‘ machte“, so McCartney rückblickend, „fragte er: ,Was genau hat eigentlich ,Pepper‘ ausgelöst?‘ Ich sagte: ,Drogen. Pot. Sgt. Pepper‘ war definitiv ein Drogen-Album.“ Der Song war für die regulären Radio-Programme aber ohnehin zu extrem, und so sollte es Jahre dauern, bis er gebührend gewürdigt wurde. Wie so oft waren die Beatles auch hier ihrer Zeit voraus.
Auf dem Album: „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“
Copyright: Keystone-France/Gamma-Keystone via Getty Images
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