The Who – Endless Wire
Vernunft hilft nicht dagegen, man vermisst Keith Moon und John Entwistle, die typischste Rhythmusgruppe der Geschichte, so typisch, dass sie einen beim Hören der ersten sogenannten The Who-Platte seit 1982 gerade dadurch an sich erinnern, dass sie nun mal fehlen.
Das Klügste, was die Übrigen Pete Townshend und Roger Daltrey in dieser Situation tun konnten, haben sie tatsächlich getan: Sie erwecken gar nicht erst den Eindruck, dass die relaunchten Who mehr als ein Duo mit gelegentlichen Gästen sein könnten. Nur zehn der 19 Stücke haben echte Band-Arrangements, die anderen sind Gitarren-Folksongs a la Irish Pub, süßer Kammer-Pop mit Geige und Händeklatschen, hochwertige Wohnzimmer-Recordings mit Drum-Maschine. Man wäre schon froh, wenn sie die empfindliche Sache mit Anstand hinter sich brächten – umso gewaltiger ist die Überraschung, dass der größte Teil von „Endless Wire“ richtig fantastisch ist.
Das beginnt bei den kleinen Deja Vus – der Blubber-Sequenz aus „Baba O’Riley“, der wunderbaren Zeitungsjungen-Arroganz in Daltreys Stimme, dem einen, unverrückbaren Power-Smash-Akkord, dem ganzen ritterlichen Beben in der Musik – und reicht bis zu einzelnen Songs, die so eingängig und eruptiv sind wie das Beste von früher: „Mike Post Theme“ mit seinem Domino aus leiser Pirsch und großem Geprolle („Emotionally we’re not even old enough!“), der gejapste Brillant-Rock’n’Roll „Pick Up The Peace“, vor allem aber die akustischen Stücke wie „Man In A Purple Dress“, bei dem die zwei wie ein puffärmeliges Protestsong-Duo klingen, oder das waldesruhige „God Speaks To Marty Robbins“ mit dem schönsten Lead-Gesang, den Pete Townshend je hinbekommen hat.
Dass dies als Oper und nicht als gewöhnliche Kollektion gehört werden soll, signalisiert nur die sonderbare Suite aus neun kurzen Lied-Partikeln, die teilweise schon auf der „Wire & Glass“-EP waren. Von dem, was man ohne Anleitung mitbekommt, muss es sich um Townshends bisher haarsträubendste Geschichte handeln (ab und zu hört man, wie es Daltrey beim Singen graust), aber zum Glück stehen die meisten Songs auch von alleine. Die Opas sind in Ordnung. Schwer sogar.