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Eric Pfeils Pop-TagebuchKolumne

Eric Pfeils Pop-Tagebuch: Niederländische Death-Metal-Frisöre im Taumel der Weihnacht

Ein paar kurze Wahrheiten mit Pop-Stammtisch-Potential kurz vor Jahresende.


Folge 72

Ich weiß. Sie wollen jetzt sicher irgendetwas über Popmusik lesen. Vielleicht auch über Weihnachten. Oft aber klaffen des Lesers Erwartung und des Kolumnenautors textliche Absicht weiter auseinander als offizieller Textabgabetermin und tatsächliche Lieferung des vorliegenden Textes. So auch heute: Viel lieber als über Popmusik und/oder Weihnachten möchte ich nämlich darüber schreiben, dass es nahezu unmöglich ist, an einem Montagmorgen um neun Uhr in einer niederländischen Großstadt einen Kaffee zu bekommen. Mein letzter Besuch in diesem faszinierenden Land nährte zumindest diesen Eindruck. Alle niederländischen Cafés scheinen an Montagen geschlossen zu bleiben. Ähnlich wie bei uns die Frisörbetriebe. Oder ist das gar nicht mehr so? Haben Frisöre gar nicht mehr montags zu? Ich weiß das nicht, ich gehe nämlich – ähnlich wie die meisten Death Metal-Bands – nie zum Frisör. In meiner Kindheit jedenfalls hatten Frisöre montags stets geschlossen. Vielleicht hat sich das geändert. Vielleicht haben Frisöre ja inzwischen immer donnerstags zu. Dann müsste es wohl heißen: In mir erhärtet sich der Verdacht, dass niederländische Cafés montags stets geschlossen bleiben so wie bei uns donnerstags die Frisörgeschäfte. Möglicherweise haben deutsche Frisöre aber inzwischen immer, rund um die Uhr und an jedem Tag, geöffnet, weil sich das bis in die Haarspitzen durchgechillte Gammlerverhalten deutscher Frisöre einfach nicht mehr mit den Bedingungen einer globalisierten Welt vertrug und das Abendland, pardon: Deutschland seine EU-Führungsrolle verlöre, wenn die Frisöre nach Lust und Laune die Läden geschlossen ließen.

Vielleicht hatte ich an diesem Montag in den Niederlanden auch einfach nur Pech. Ich glaube, ich schreibe jetzt doch lieber etwas über Popmusik und Weihnachten.

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Ein paar kurze Wahrheiten mit Pop-Stammtisch-Potential kurz vor Jahresende:

Ich glaube, man darf festhalten, dass Bands, die kurz vor Weihnachten Live-Versionen ihres im selben Jahr veröffentlichten Mist-Albums herausbringen, scheiße sind.

Man darf auch festhalten, dass sich Jeff Tweedy und Tommy Engel (Ex-Bläck Fööss) immer ähnlicher sehen. Ebenfalls sehr ähnlich sehen sich inzwischen Marius Müller-Westernhagen und T-Bone Burnett, zumindest legt das ein Foto des Americana-Recken nahe, das neulich in der SZ oder der FAZ zu sehen war. Vielleicht auch in beiden Blättern.

Was soll aus einer Welt werden, in der verdiente amerikanische Recken immer mehr aussehen wie Deutschrock-Urgesteine. Ich weiß es nicht.

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Die Niederlande: Was war da eigentlich so popmusikalisch los, außer Golden Earring und Herman Brood?  In den Neunzigern war mal das Duo Charly Lownoise und Mental Theo sehr erfolgreich, denen es auf dem Höhepunkt ihrer Karriere gelang, exakt so zu klingen wie sie heißen. Zuletzt wurde der Musiker Jacco Gardner über die Landesgrenzen hinaus auffällig, der bemüht zu sein scheint, das erste Pink-Floyd-Album nachstellen zu wollen. Doch da muss mehr zu holen sein.

Ich habe eben mal ein bisschen halbherzig recherchiert. Die Niederlande scheinen über eine rege und faszinierende Musikszene zu verfügen. Ich kenne nicht viele der Bands, die mir da begegnen, aber einige von ihnen verfügen über Namen von anbetungswürdiger Schönheit. Ich möchte hier nur The Amazing Stroopwafels nennen, die ich, glaube ich, ab heute anbeten werde. Ich habe keine Ahnung, welcher Musiktyp von diesen tapferen Männern veräußert wird, aber ich wünschte, es wäre Plasticland-artige Retro-Psychedelia. The Amazing Stroopwafels trinken vermutlich nie Kaffee, gehen aber dauernd zum Frisör. 

Es wurde eine Tiefseeschnecke nach Joe Strummer benannt. Das ist sicher gut und vernünftig so. Sicherlich wurden auch schon Planeten nach Freddie Mercury und Wackelpuddings nach Ozzy Osbourne benannt. Man sollte im Grunde alles nach irgendwelchen Musikern benennen. Auch die Möbel zu Hause. Auch sich selbst.

Zu Weihnachten wünsche ich mir, dass ein aufgeplusterter Vogel mit besonders albernem Gang nach Arcade Fire benannt wird. Oder eine Strumpfhose nach Marius Müller-Westernhagen.

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Apropos Golden Earring: Vor ein paar Jahren habe ich in Amsterdam mal Robert Pollard, den Sänger von Guided By Voices, interviewen dürfen. Wo es denn hier den nächsten Plattenläden gebe, fragte er mich nach dem Gespräch, er wolle sich noch ein paar Golden-Earring-Alben besorgen. Als ich spontan auflachte, sah er mich kurz mit großen Augen an und sagte dann – nicht ohne einen Hauch von Strenge: „Golden Earring definitely kicks ass!“

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Nächstes Mal im Pop-Tagebuch: Wie feiern eigentlich Charly Lownoise und Mental Theo Weihnachten? Welches Various Artists-Album eignet sich als Einstiegsplatte? Wie steht es um eine Wiedervereinigung von The Amazing Stroopwafels? Hat sich die Band überhaupt je aufgelöst? Wann haben Frisörgeschäfte in Peru, Luxemburg und Andorra geschlossen – und: Kann ich meinen Lebenspartner nach einem Rockstar benennen lassen? Vielleicht schreibe ich ja auch etwas über untergegangene Platten des Jahres 2014. Bleiben Sie angeschlossen. Ich gehe jetzt in die Kneipe und benenne dort mehrere Biere nach Tommy Engel.

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