An die wütenden „Walking Dead“-Fans: Warum es egal ist, welchen Helden Negan totgeschlagen hat
Mit dem Cliffhanger, der die sechste "Walking Dead"-Staffel beendete, ist auch der eigentliche Horror verflogen.
„The Walking Dead“-Fans auf der ganzen Welt sind wütend, weil Season sechs der Zombieserie mit einem Cliffhanger endete. Die ganze Staffel über hatte man sich nicht nur auf den Auftritt von Bösewicht Negan (Jeffrey Dean Morgan) gefreut – sondern auch gebangt, welche Hauptfigur von ihm getötet werden wird. Denn in der Comicvorlage bietet der Hüne einen beeindruckenden, schockierenden ersten Auftritt.
SPOILER-ALARM!
Negan holt darin seinen mit Draht umwickelten Baseballschläger Lucille hervor – und schlägt Glenn, einer der sympathischsten Figuren der Reihe, den Schädel ein.
Ende, tot.
Schon vor Beginn der aktuellen Season hatten die Darsteller von dem „furchtbaren Ende“ gesprochen, das zum Beispiel Rick-Darsteller Andrew Lincoln „Übelkeit“ bereitet hatte, als er allein schon das Drehbuch zur 16. Folge las. Gleichzeitig, hieß es, haben die Produzenten offen lassen wollen, ob es wirklich Glenn träfe – oder ob stattdessen ein anderer Charakter das Zeitliche segnen könnte. Es gibt Gerüchte, dass die Todesszene noch nicht einmal gedreht worden sei, man damit bis zur Arbeit an Season sieben warten wolle – damit keine verräterischen Aufnahmen vorab an die Öffentlichkeit gelangen.
Kurz: Die Fangemeinde wanderte seit Monaten auf glühenden Kohlen, bis endlich in den USA am Sonntag (3. April) die 16. Folge ausgestrahlt wurde.
Wen hat es nun getroffen?
Der Cliffhanger zeigte lediglich, dass Negan auf jemanden einschlägt und Blut auf die Kamera spritzt – nicht, wen der Baseballschläger getroffen hatte. Manche Zuschauer tippen weiterhin auf Glenn, andere wollen in der AMC-Sendung „The Talking Dead“, die die Ereignisse der jeweiligen Folgen rekapituliert, Hinweise entdeckt haben, dass Fan-Favorit Daryl (Norman Reedus) erledigt wurde. Manche glauben gar, dass Negan als Machtdemonstration beschlossen habe, nicht einen der Helden zu ermorden, sondern jemanden aus seinem eigenen Lager: Schaut, was ich mir leisten kann!
Ganz ehrlich: Es ist total egal, wen der Schurke nun auf dem Kerbholz hat. Die Abblende am Ende der Folge hat alles verdorben. Ein dramaturgischer Fehler. Der Horror in Robert Kirkmans Comicvorlage bestand tatsächlich darin, dass man die Resultate der einzelnen Baseballschläge nach und nach sieht: Glenns immer stärker eingeschlagener Schädel, sein verzweifeltes Rufen nach seiner schwangeren Freundin Maggie, obwohl er längst benommen am Boden liegt. Was mit dem Sympathieträger zu Beginn von Band 17 geschieht, sprengt alle Dimensionen. Als Glenn erledigt ist, bleiben Schock, Trauer, auch etwas Ekel zurück – seine Lieblingsfigur habe man so nie sehen wollen, sein Tod ist detailgetreu skizziert, es wirkt geradezu gewaltpornographisch.
Noch grausamer wird die Sequenz, als Kirkman im selben Moment die anderen Figuren zeigt, die vor Negan knien müssen, aber bei seinem „Eene Meene Buh“-Spiel verschont wurden. Rick muss sich zusammenreißen, blickt zu Boden; Michonne ist voller Wut, blickt zu Boden; Glenns Partnerin Maggie blickt zu Boden, aber man weiß nicht, was sie dabei fühlt.
Jetzt heißt es sechs Monate grübeln
All das ist zerrissen worden durch den Serien-Cliffhanger. Zwar wird Staffel sieben sicher gleich zu Beginn der ersten Folge auf die Ereignisse zurückgreifen. Der einzigartige Spannungsauf- und -abbau im Comic jedoch kann so nicht mehr eingehalten werden. Im Buch spielte sich alles auf wenigen Seiten ab, der Leser wurde überrascht: Negans Auftritt kam plötzlich, es gab eine kurze Ansprache (viel kürzer und pointierter als in der Serie), schon schlug er mit Lucille zu, und Rick und die Überlebenden wurden, alle unter Schock, in die Freiheit entlassen.
Wenn im Oktober die siebte Season startet, ist die Spannung ist längst verflogen – die endlosen Theorien im Internet ermüden schnell. Man will jetzt einfach nur noch wissen, wen es getroffen hatte, und dann weitersehen. Keine Frage, dass die Zuschauer sich ärgern werden, wenn die Auflösung dann in der nächsten Staffel innerhalb weniger Minuten erfolgt. Und darüber hatte man sich dann sechs Monate lang den Kopf zerbrochen?
Und, ehrlich gesagt: Ein wenig veräppelt fühlt man sich als Zuschauer schon, wenn über 15 Folgen der Oberhalunke angekündigt wird, er am Ende aber nicht so abliefern darf, wie wir es von ihm erwartet haben. Und wir nicht leiden dürfen, wie wir es befürchtet hatten. Was zu dem seltsamen Gefühl führt: Jetzt will man erst recht, dass es einen der Helden getroffen hat.